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Neugebauer will Mitglieder behalten. | Experte: Bei Gründung eines Zweigvereins müssen Mitglieder neu beitreten. | Wien. Die Statuten des ÖGB, die im Jänner beim Bundeskongress beschlossen wurden sehen unter "II. Aufbau des ÖGB § 4. Gliederung" vor: "(1) Der ÖGB gliedert sich in folgende Gewerkschaften, die als rechtsfähige Zweigvereine errichtet werden können:" Dieser eine Nebensatz war zwar rasch eingefügt, wirft aber eine Vielzahl von Fragen auf. Die Gewerkschaft öffentlicher Dienst (GÖD) ist gerade dabei, diese Möglichkeit Wirklichkeit werden zu lassen, die Gewerkschaft der Gemeindebediensteten überlegt noch.
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Hintergrund, warum die GÖD so auf einen Zweigverein drängt, ist die Haftungsfrage. Im Vorjahr hätten zwei Funktionäre (Ex-ÖGB-Präsident Fritz Verzetnitsch und Finanzchef Günter Weninger, Anm.) den ÖGB samt den Teilgewerkschaften fast in den Ruin getrieben, erklärte GÖD-Vorsitzender Fritz Neugebauer der "Wiener Zeitung". "Wenn die Geschichte mit der Bawag noch schief geht, dann müssen alle Gewerkschaften bis zum letzte Bleistift alles verkaufen." Und genau das will er mit einer eigenen Rechtsfähigkeit der GÖD verhindern.
"Damit sind einmal grundsätzlich die Weichen gestellt, aber andererseits bedarf es einer wechselseitigen Abstimmung der Statuten", erklärte der auf Vereinsrecht spezialisierte Anwalt Thomas Höhne zur ÖGB-Statutenänderung. Denn Rechte in dem Sinn, habe ein Zweigverein nicht. Alle Vereinbarungen könnten nur gemeinsam getroffen werden.
Derzeit gehört
alles dem ÖGB
Derzeit haben die Teilgewerkschaften rein rechtlich keine Handhabe, weil sie keine eigene Rechtspersönlichkeit sind. Alles gehört grundsätzlich dem ÖGB. Außer natürlich, das Vermögen ist in Stiftungen oder in andere Vereine eingebracht. Das Haus der GÖD in der Teinfaltstraße gehört zum Beispiel nicht dem ÖGB, sondern dem Restitutionsfonds der Fraktion Sozialdemokratischer Gewerkschafter. Auch die Mitglieder sind beim ÖGB, dieser weist diese nur den einzelnen Gewerkschaften zu. Der ÖGB fungiert auch als Personaleinsteller.
Sollte die GÖD also einen Zweigverein gründen, könnte dieser die Mitglieder nicht so einfach übernehmen. "Eine Mitgliedschaft bei einem Verein erfordert ein explizites Ja des Beitretenden", sagt der Vereinsrechtsexperte. Die Mitglieder müssten dem neuen Verein beitreten. Da gebe es keine anderen rechtlichen Deutungsmöglichkeiten.
"Wenn Sie drei Juristen fragen, haben Sie vier Meinungen", sagt Neugebauer dazu. Die GÖD habe sich gründlich vorbereitet und eine Vielzahl an Gutachten eingeholt. Neugebauer geht davon aus, dass die rund 230.000 Mitglieder übernommen werden können.
Eine Arbeitsgruppe klärt gerade steuerrechtliche, personalrechtliche und vor allem finanzielle Fragen. "Wir bereiten die Sache jetzt sorgfältig vor und werden das dann gemeinsam (mit dem ÖGB, Anm.) über die Bühne bringen sagt Neugebauer in Richtung Wilhelm Haberzettl. Dieser hatte in der "Wiener Zeitung" gemeint, dass es für eine Zweigvereinslösung derzeit im ÖGB-Vorstand keine Mehrheit gebe.