60 Milliarden Euro will Südafrika in die Infrastruktur stecken. | Kriminalität geht langsam zurück. | Johannesburg. Bisher haben österreichische Unternehmen großes Augenmerk auf die Märkte in Mittel- und Osteuropa gelegt. Jetzt soll ein anderer Kontinent erschlossen werden: Für die Fußball-WM 2010 in Südafrika will die Wiener Wirtschaft nun ihr Know-how einbringen, das sie bei der Euro 2008 sammeln konnte. Aus diesem Anlass besucht die Wiener Wirtschaftskammerpräsidentin Brigitte Jank derzeit mit einer Handelsdelegation Südafrikas Wirtschaftsmotor Johannesburg, wo sie am Dienstagabend ein Kooperationsabkommen mit der dortigen Handelskammer unterzeichnet hat.
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Generell solle Südafrika ein wesentlicher Themenschwerpunkt für die Wiener Wirtschaft werden, betont Jank. Denn schließlich sei die dortige Wirtschaft in den vergangenen zehn Jahren konstant gewachsen. Dem österreichischen Handelsdelegierten Stefan Pistauer zufolge lagen die jährlichen Wachstumsraten in den Jahren 2004 bis 2007 sogar bei fünf Prozent.
Laut Jank wird die südafrikanische Regierung in den nächsten drei Jahren mehr als 60 Milliarden Euro in Infrastrukturprojekte investieren. Und sie sieht für österreichische Unternehmen vor allem Chancen im Ausbau des Gesundheitswesens - 31 Spitäler sind im Bau - sowie im Ausbau der Energieversorgung.
Auch bei der Entwicklung der Landwirtschaft und der Lebensmittelverarbeitung könnten sich heimische Unternehmen einbringen. Vor allem aber sei der Infrastrukturausbau - Straßenausbau und Bemautung, Eisenbahn und Flughäfen - eine große Chance. Die Finanzkrise habe Südafrika "bis dato zum Glück nicht erreicht", sagt Pistauer, der sich auch für die Zukunft optimistisch zeigt. "Die WM 2010 fängt die Finanzkrise natürlich ein bisschen auf."
Busse statt Minibusse
Tatsächlich wird in "Joburg", wie die Einheimischen ihre Stadt bezeichnen, überall gearbeitet, ein eigener Schnellzug soll bis 2010 zum Flughafen gebaut und später bis ins rund 40 Kilometer entfernte Pretoria verlängert werden. Derzeit werden vor allem aber die Straßen verbreitert: Denn bis zur WM will Johannesburg seine öffentlichen Verkehrsmittel massiv ausbauen. Die berüchtigten weißen Minibusse, die als Sammeltaxis ohne Rücksicht auf Verluste durch die Stadt hetzen, sollen laut Beatrice Abel von der Handelskammer Johannesburg durch richtige Linienbusse ersetzt werden.
Die Minibus-Fahrer will man entsprechend umschulen. 330 Kilometer lang soll das Busnetz insgesamt werden und 70.000 Menschen pro Monat transportieren können. Für die Sicherheit der Fahrgäste sollen gläserne, komplett geschlossene Stationen gebaut werden, an die die Busse andocken. Immerhin hat Johannesburg den Ruf der gefährlichsten Stadt der Welt.
Was das Thema Sicherheit betrifft, sei die Stadt aber besser als ihr Ruf, meint Abel. "Wir haben da ein echtes Problem mit der Medienberichterstattung." Bei einem Treffen mit österreichischen Unternehmern, die sich in Johannesburg niedergelassen haben, wird allerdings ein anderes Bild gezeichnet - es gibt kaum jemanden unter den Anwesenden, der nicht über einen Überfall zu berichten weiß. Selbst von Schüssen ins Bein vor der eigenen Hauseinfahrt wird erzählt.
"Aber man gewöhnt sich an die Elektrozäune und die Tatsache, dass man nicht überall hingehen darf", sagt Michaela Milne, Trade Lane Managerin der Firma Schenker. Für Heinz Messinger, Geschäftsführer des Krankenhaus-Ausstatters AME International, "liegt die Wahrheit wohl irgendwo in der Mitte". Tatsache sei, dass sich die Situation in den vergangenen drei Jahren wesentlich verbessert habe - unter anderem, weil man im Hinblick auf die WM damit begonnen hat, überall an den Straßen Kameras aufzustellen.
Black Empowerment
Laut Abel gab es seit der Installierung der Kameras bei Raub-Delikten einen Rückgang von 9,5 Prozent, bei Vergewaltigungen waren es minus 8,8 Prozent, bei versuchtem Mord minus 7,5 Prozent und bei tätlichen Übergriffe minus 6,6 Prozent. Außerdem soll die Polizei um 3000 weitere Beamte verstärkt werden. Die Lage beruhigt sich aber auch, weil aus der schwarzen Bevölkerung mittlerweile eine starke Mittelschicht erwachsen ist. "Wir müssen nur die Leute aus den Townships rausbringen", sagt Messinger.
Jene kleinen Häuser, die die Stadt der armen Bevölkerung zur Verfügung stellt, seien da ein wichtiger Schritt. Und auf der wirtschaftlichen Ebene bringe das Black Economic Empowerment (BEE) Schwarze und Weiße zusammen. Das BEE verpflichtet zu einer Quote: 40 Prozent der Mitarbeiter eines Unternehmens müssen schwarz sein.
(Weiße) Kritiker bezeichnen das wiederum als "umgekehrte Diskriminierung". Aber angesichts der Tatsache, dass nach der Freilassung Nelson Mandelas die ersten freien Wahlen in Südafrika erst 1994 stattgefunden haben, habe sich beachtlich viel zum Positiven entwickelt, meint Messinger. Auch wenn man den Eindruck hat, dass noch immer alle Hausangestellten, Kellner und Straßenarbeiter Schwarze sind ...
Wissen: JohannesburgJohannesburg selbst hat drei Millionen Einwohner, im Großraum Johannesburg leben allerdings sieben Millionen Menschen. Flächenmäßig ist "Joburg", wie die Einwohner ihre Stadt nennen, viermal so groß wie Wien.
Südafrika, "das Land am Kap", ist die größte Volkswirtschaft Afrikas: Ein Markt mit 49 Millionen Einwohnern, in dem fünf Prozent der gesamtafrikanischen Bevölkerung mehr als 23 Prozent des BIP des Kontinents erwirtschaften. Die Arbeitslosenrate liegt offiziell bei 22 Prozent, real spricht man aber von 40 Prozent. Statistisch werden im Kap-Staat jeden Tag50 Menschen ermordet. Dennoch gilt das an Bodenschätzen reiche Land als politisch relativ stabil.