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Osteuropa verliert zunehmend an Attraktivität, sagt Finanzexperte Mario Holzner.
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"Wiener Zeitung":Ukraine, Russland, Ungarn - heimische Banken und Firmen beklagen immer öfter Verluste und schlechte Entwicklungen in ihren Osteuropa-Märkten. Woran liegt das?Mario Holzner: Neben einem allgemeinen Wachstumsrückgang im Zuge der globalen Finanzkrise gibt es bei den von Ihnen erwähnten Ländern handfeste politische Gründe für die schlechte wirtschaftliche Entwicklung. Insbesondere die Ukraine und Russland sind aufgrund der kriegerischen Auseinandersetzungen und ihrer wirtschaftlichen Folgen zurzeit keine guten Märkte für die Banken. Ungarn geht es wirtschaftlich zwar nicht so schlecht, die Banken leiden dort allerdings unter speziellen Bankensteuern, die von der ungarischen Regierung unter Premierminister Viktor Orbán eingeführt wurden.
Bis vor kurzem galt der CEE-Raum als Goldgrube. Kann man das heute noch behaupten?
Die Goldgräberstimmung ist sicherlich vorbei. In den einzelnen Märkten haben sich Marktführer etabliert und für Neueinsteiger wird es naturgemäß immer schwieriger. Trotzdem bleiben, nicht zuletzt auch aufgrund eines höheren Risikos, höhere Renditemöglichkeiten durchaus vorhanden. Es ist interessant zu beobachten, wie sich in den letzten Jahren chinesische Unternehmen, Banken und Politiker vermehrt in der Region engagieren.
Kann man überhaupt noch von DER Ost-Region sprechen, oder haben sich die einzelnen Länder zu unterschiedlich entwickelt?
Wir können durchwegs unterschiedliche Entwicklungen beobachten. Die Region ist sehr heterogen. Vor allem die unmittelbaren Nachbarn Deutschlands und Österreichs haben sich mithilfe hoher Direktinvestitionen in der Industrie sehr gut in die europäischen Produktionsnetzwerke integrieren können. Damit konnten diese Länder auch vergleichsweise gut die globale Finanzkrise überstehen. An der Peripherie war man viel stärker vom Austrocknen der Kreditströme belastet, weil man plötzlich die hohen Importe nicht mehr finanzieren konnte. So fehlt es beispielsweise am Balkan oft an den produktiven Kapazitäten, um Importe durch eigene Exporte zu decken.
Für welche Länder erwarten Sie in naher Zukunft eine positive Entwicklung? Wo sieht es eher düster aus?
Ganz allgemein sind die Wachstumsaussichten verhalten, zumal die meisten Länder der Region stark vom Wachstum in der Eurozone abhängig sind, wo es seit Jahren an gesamtwirtschaftlicher Nachfrage fehlt. Für die meisten neuen EU Mitgliedsstaaten sehen wir für die kommenden Jahre ein Wirtschaftswachstum von unter drei Prozent vorher. Kroatien muss sich nach sechs Jahren Negativwachstum in Folge schon über ein minimales Wachstum freuen. Auch in Serbien wird es, falls überhaupt, nur zu geringem Wachstum kommen. Für die Ukraine sieht es naturgemäß äußerst düster aus und auch für Russland muss zumindest für das Gesamtjahr 2015 mit einem Schrumpfen der Wirtschaft gerechnet werden.
Manche Betriebe und Banken fahren schon ihre Ost-Geschäfte zurück. Sind die fetten Jahre der Ost-Expansion vorbei?
Die neuen EU Mitgliedsländer hatten im Vergleich mit der Eurozone in der Zeit vor dem Ausbruch der globalen Finanzkrise ein um rund drei Prozentpunkte höheres Wirtschaftswachstum. Damit ist in den kommenden Jahren nicht mehr zu rechnen. Dennoch bleibt das Wachstumsdifferenzial auch weiterhin positiv. Zuletzt lag es bei rund 1,5 Prozentpunkten. Das gezielte Engagement im Osten der Europäischen Union sollte sich also für Betriebe und Banken auch weiterhin auszahlen.
Zur Person
Mario
Holzner
ist Wirtschaftswissenschafter und stellvertretender Geschäftsführer des Wiener Instituts für Internationale Wirtschaftsvergleiche. Er forscht in den Bereichen Makroökonomie, Außenhandel und Finanzmärkte mit Schwerpunkt Osteuropa.