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Die Götterdämmerung der CSU

Von Florian Hartleb

Gastkommentare
Florian Hartleb ist Politikberater, Mitarbeiter der Deutschen Vereinigung für Politische Wissenschaft und lehrt auch an mehreren Universitäten.

Europas erfolgreichste (Regional-)Partei kann sich einen Bruch mit der großen Schwester CDU nicht leisten. Umgekehrt gilt dasselbe.


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Wie sehr Volksparteien länderübergreifend unter Druck geraten und Mehrheiten nicht mehr gottgegeben sind, verdichtet sich brennglasartig am Beispiel der CSU, die als erfolgreichste (Regional-)Partei Europas gelten kann. Im Freistaat Bayern gilt die "Mia san mia"-Mentalität: Hier vereint man "Laptop und Lederhose" oder - wie es heuer beim Politischen Aschermittwoch, dem Höhepunkt der Politikfolklore, lautete - "Tablet und Trachtenjanker". Kirche und Vereinskultur haben immer noch eine immense Bedeutung. Bayerns Bevölkerung will größtenteils im Land bleiben, wie Umfragen zeigen. Die Wirtschaftsdaten sprechen, auch wegen der Großindustrie von BMW bis Siemens, für sich. Traditionell steht die CSU für innere Sicherheit und Teilhabe im Bund, in einem besonderen und einmaligen Geflecht mit der Schwesterpartei CDU, was beiden auch wegen der Posten und Zuschüsse besonders nützt.

Am Wahlabend gab es aber lange Gesichter. Zwar wurden alle Direktmandate gewonnen, was für die einmalige strukturelle Verankerung spricht, dennoch folgte eine Götterdämmerung. Die einstige 50-plus-Partei stürzte auf 38,5 Prozent ab, das niedrigste Ergebnis seit 1949, während die AfD ohne Strukturen und Personal mehr als 12 Prozent holte. Der CSU half es auch nicht, den einstigen, inzwischen in die USA ausgewanderten Politstar Karl-Theodor zu Guttenberg wie einen Rummelboxer in Bierzelten und in einer niederbayrischen Fensterfabrik die neuen Koordinaten der Weltpolitik erklären zu lassen.

Die CSU muss sich nun Kritik gefallen lassen, sorgte sie doch mit einer "Schaukelpolitik", wie es der einstige Parteivorsitzende Erwin Huber bezeichnete, für allgemeine Verunsicherung. Einerseits warf CSU-Chef Horst Seehofer Kanzlerin Angela Merkel während der Flüchtlingskrise im Herbst/Winter 2015 im DDR-Jargon eine "Herrschaft des Unrechts" vor (ohne Konsequenzen zu ziehen), andererseits jubelte man ihr nun im Wahlkampf zu. Seehofer, bereits unter Helmut Kohl von 1992 bis 1998 Bundesminister, muss sich Opportunismus gefallen lassen. Der 68-Jährige steht unter argen Druck, zumal er bei der Landtagswahl 2018 wieder antreten will.

Die CSU dürfte nun zur unliebsamen CDU-Schwester werden, unbequeme Fragen zur Flüchtlingspolitik jenseits von Obergrenzen stellen. Sollte es wirklich zur Koalition mit FDP und Grünen kommen, dürfte Merkel ein rauer Wind entgegenwehen, der schnell zum Sturm werden könnte. Die Grünen galten und gelten an Bayerns Stammtischen als zentrales Feindbild, ein Sinnbild von Multikulti und Feminismus. Da nun aber bald wieder Wahlkampf ist, kann sich die CSU eigentlich eine derartige Konstellation nicht leisten - außer, sie holt Guttenberg zurück und macht ihn zu ihrem Sebastian Kurz. Es könnte, dem österreichischen Beispiel folgend, ein Rechtsruck in der Migrationspolitik folgen, um der AfD das Wasser abzugraben. Der pragmatischen Merkel würde das, mit den Grünen und den selbstbewussten Liberalen mit im Boot, nicht gefallen. Die CSU bekäme auch kaum Ministerposten, ihr Einfluss wäre stark limitiert. Das Ende zweier langer und erfolgreicher Politkarrieren, Seehofers wie Merkels, scheint eingeleitet. Einen Bruch können sich beide nicht leisten.