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Wladimir Putin zu Besuch bei den Soldaten in Tschetschenien, Putin als Judokämpfer, Putin, der sportlich über Skipisten flitzt. Nach zwei Jahrzehnten kränkelnder sowjetischer und russischer
Staatschefs · nur Michail Gorbatschow (1988 · 1991) war eine Ausnahme · zieht ein junger, unverbrauchter Politiker in den Kreml ein, der bis zu seiner Bestellung zum Ministerpräsidenten im August des
Vorjahres vor allem als Graue Eminenz galt und der seither mit seiner unnachgiebigen Haltung im Tschetschenienkonflikt in seinem Land punkten konnte.
Die Biografie des am 7. Oktober 1952 im damaligen Leningrad (jetzt wieder St. Petersburg) geborenen Wladimir Putin ist eng mit dem russischen Geheimdienst verknüpft. Am Ende seines Jura-Studiums
wurde er 1975 Mitarbeiter des Auslandsgeheimdienstes und verbrachte viele Jahre in Dresden, war aber mehreren Berichten zufolge auch in Österreich und in der Schweiz tätig. In den Achtzigerjahren
kehrte er in die Sowjetunion zurück. 1991 nahm er Abschied vom KGB nachdem er schon ein Jahr zuvor Berater seines früheren Lehrers Anatoli Sobtschak, eines führenden liberalen Reformers geworden war,
der 1991 bei den ersten freien Wahlen zum Bürgermeister von St. Petersburg gewählt wurde. Putin wurde unter Sobtschak Leiter des städtischen Komitees für Auslandsbeziehungen und 1994 Erster
Stellvertreter des Stadtoberhaupts. In dieser Funktion, die mit weitreichenden Kompetenzen verbunden war, erwarb er sich den Spitznamen "Graue Eminenz", angeblich, weil keine wichtige Entscheidung
ohne sein Einverständnis gefällt wurde.
Nach der Abwahl Sobtschaks im Juni 1996 leitete Putin den Wahlkampf für Boris Jelzin für die Präsidentenwahlen und erhielt im Herbst einen hohen Funktionärsposten im Kreml. Er wurde stellvertretender
Leiter der Wirtschaftsabteilung im Präsidialamt und war damit für die Verwaltung der Immobilien und anderer russischer Auslandsvermögen zuständig. Im März 1997 zum Leiter der präsidialen
Kontrollabteilung befördert, oblag ihm die Durchführung von Gesetzen und Dekreten im ganzen Land. Außerdem machte ihn Jelzin zum stellvertretenden Leiter der Kreml-Verwaltung.
Ende Juli 1998 von Jelzin zum Chef des Inlandsgeheimdienstes bestellt, wurde Putin schon wenige Monate später, im März 1999 zum Nationalen Sicherheitsberater des Präsidenten. Diskretion, Effizienz
und unbedingte Loyalität zu Jelzin waren Putins Markenzeichen. Und so wurde er im Sommer 1999, nach der Entlassung von Regierungschef Sergej Stepaschin, Ministerpräsident, wobei Jelzin schon damals
seine Wunsch bekundete, Putin als Nachfolger aufzubauen. Als Boris Jelzin nach den Parlamentswahlen vom Dezember, in denen die Vormachtstellung der Kommunistischen Partei gebrochen worden war, am
31. Dezember 1999 überraschend seinen Rücktritt bekanntgab, bestellte er den Vater von zwei Kindern zum amtsführenden Präsidenten. An seiner Wahl zum Jelzin-Nachfolger bestanden kaum Zweifel, traten
doch so populäre Persönlichkeiten wie Ex-Regierungschef Jewgenij Primakow und der Moskauer Bürgermeister Juri Luschkow gar nicht erst an.