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Die Grazer Strombörse EXAA will hoch hinaus -vielleicht zu hoch?

Von Veronika Gasser

Wirtschaft

Die Grazer Strombörse EXAA, das "Baby" des steirischen Wirtschaftslandesrats Herbert Paierl, ist nach den ersten Handelstagen mehr als zufrieden mit deren Verlauf. Seit Marktstart am 21. März wurden bis zum 5. April durchschnittlich 2.200 Megawattstunden Strom pro Tag gehandelt. Energiehändler sehen den Grazer Standort aber eher mit kritischen Augen und geben ihm nur geringe Überlebenschancen. Die Notwendigkeit für die Energieversorger und Industrie, sich an einer Börse mit Strom einzudecken, sei nämlich relativ gering.


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Die Pläne des Börsevorstandes Ludwig Nießen sind hoch gesteckt. Manche meinen zu hoch. Er hat sich das Ziel gesetzt, bis zum Endes des nächsten Jahres 5% des gesamten heimischen Strommarktes in Graz zu handeln, bis 2006 sollten es gar 20% sein. Dieser viel zu optimistischen Markterwartung können professionelle Energie-Händler wie Gerhard Langeder, Leiter des Strom- und Gasgeschäftes bei PVM-Oil-Associates, nichts abgewinnen: "Es gibt nur eine beschränkte Zahl von Anbietern, die gleichzeitig auch die Abnehmer des gehandelten Stromes sind." Auch fehle eigentlich die Motivation fürs Handeln, denn die Geschäfte, welche die Stromversorger untereinander machen, seien schneller, flexibler und auch billiger.

Am Stromhandel in Graz nehmen sieben Energieversorger (Verbund, Energie AG Oberösterreich, Salzburg AG, Tiroler Wasserkraftwerke, Vorarlberger Kraftwerke, Steirische Wasserkraft und Elektrizitäts AG und Kärntner Elektrizitäts AG) teil. Die internationalen Mitspieler sind derzeit Atel Trading, Entrade, die Stadtwerke Leipzig, Petro Carbo Chemical, Sempra Energy und Aquila Energy Europe. Demnächst sollen auch die E.ON und RWE mitmischen.

Innerhalb der Strombranche wird gemunkelt, dass gerade die Landesversorger mit äußerst geringer Lust und Euphorie am Geschäft teilnehmen. Dass sie es überhaupt tun, dafür sei vor allem der politische Auftrag verantwortlich. Nießen sieht die Sache gelassen, denn er will die Grazer Energiebörse als Anbieter für Nischenprodukte etablieren: Strom aus Wasserkraft ist ein heiß begehrtes Produkt. Diese Sicht teilt auch der Strombörse-Skeptiker Langeder: "Es ist gut, auf Wasserkraft zu setzen." Erfreulich gestaltet sich der Handel an Regentagen, die Produzenten müssen nämlich dann ihre Überschüsse auf den Markt werfen. Besonders bemühen muss sich die Börse um Teilnehmer aus der Industrie. Die ÖBB konnten zum Einstieg bewegt werden, sie sind ab "dem Sommer dabei". Jetzt geht es für Nießen darum, auch noch die Papierindustrie ins Boot zu holen. Mit dem südafrikanisch-steirischen Papierhersteller Sappi gibt es bereits Gespräche.

Prinzipiell sei das Projekt nur im südosteuropäischen Verbund sinnvoll, sagt Langeder. "Doch dieser strategische Ast ist weggebrochen, da jetzt jedes Nachbarland seine eigene Börse installiert." Für Nießen ist gerade dieser Umstand eine Überlebenschance für Graz.