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Wenn Vizekanzler Heinz-Christian Strache von "Systemmedien" spricht, seine Partei Recherche als "Medienhatz" oder "linke Meinungsdiktatur" bezeichnet, vom Verfassungsschutz als rechtsextrem eingestufte Plattformen als Quellen verbreitet, traditionelle Medien umgeht und in den sozialen Netzwerken Journalisten anfeindet, dann deutet das auf ein ungesundes Verhältnis zwischen Politik und Medien hin. Das ist keine neue Entwicklung. Aber sie verschärft sich.
Die FPÖ sitzt nicht mehr auf der Oppositionsbank. Sie führt mit der ÖVP die Geschicke des Landes und hat großen Einfluss darauf, wie und wohin sich eine Gesellschaft entwickelt. Die FPÖ geht in eine Gegnerschaft zu den klassischen Medien. In dieser Qualität ist das neu. Frühere Regierungen haben zwar auch über die Berichterstattung gejammert, aber immer auch versucht, sich die Medienlandschaft gefügig zu machen. Werner Faymann trieb das auf die Spitze. Er finanzierte sich über den Boulevard an die Macht - aber dieser steht im Verdacht, Polarisierung zu vertiefen und Angst zu erzeugen. Das half der FPÖ. Strache und seine Partei haben sich eine wirksamere mediale Parallelwelt geschaffen. Angefangen mit der Facebook-Seite des Vizekanzlers und seinen hunderttausenden Unterstützern. Dort teilt Strache äußerst fragwürdige Quellen FPÖ-naher Plattformen, die mit Falschinformationen Stimmungen bestätigen und erzeugen. Zuletzt schrieb Strache dort, dass den "Systemmedien" nicht mehr geglaubt werde - das "völlig zurecht".
Hier wird von einer staatstragenden Partei nicht weniger als unsere Integrität und das Fundament unserer Arbeit infrage gestellt. Die FPÖ zeichnet ein Bild von Medien, die keine Kontrolle darstellen, sondern ein Machtkartell, das bewusst Lügen verbreitet. Hinter jedem Fehler wird im Trump’schen Stil eine übergeordnete Macht und Meinung insinuiert, die die Berichterstattung steuert und gleichschaltet. Das führt zu einem Kollaps jedes politischen Diskurses und zu einer sozialen wie kulturellen Zersplitterung. Das ist ein Angriff auf die Medienfreiheit und damit auf die Demokratie.
Niemand muss Journalisten lieben. Kritik, vor allem Selbstkritik, tut allen gut, und davon soll es mehr geben. Wir Medien machen Fehler und davon wahrscheinlich so viele wie die Protagonisten in unserer Berichterstattung. Aber wenn Kollegen angefeindet und die Grundwerte unserer Arbeit angegriffen werden, ist die Grenze überschritten.