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Die Grenzen der Freiwilligkeit

Von WZ-Korrespondent Wolfgang Tucek

Wirtschaft

Kann in Notlage eine Fristerstreckung freiwillig sein? | Standard & Poors lässt wenig Spielraum. | Schlechteste Bewertung für Athen. | Brüssel. Die neuerliche Rettung Griechenlands kommt in die entscheidende Phase. Bei einem Treffen der Finanzminister der Eurozone am Dienstagnachmittag sollten "alle Optionen durchgespielt" werden, sagte der Luxemburger Premierminister und Eurogruppenchef Jean-Claude Juncker. Allerdings endete das Treffen ergebnislos. Am Sonntag soll weiter verhandelt werden. | Österreich soll 'ehrgeiziger' Schulden abbauen


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Längst ist klar, dass die Griechen nach den vor einem Jahr gewährten Notkrediten über 110 Milliarden Euro von den Eurokollegen und dem Währungsfonds (IWF) ein zweites Rettungspaket mit mindestens 85 Milliarden Euro brauchen. Zudem kristallisierte sich heraus, dass private Gläubiger - also vor allem Banken - freiwillig daran beteiligt werden sollen.

Dafür sprachen sich der deutsche Finanzminister Wolfgang Schäuble, seine österreichische Kollegin Maria Fekter und die Niederlande sowie Finnland aus. Wie das geschehen soll, ohne dass die Ratingagenturen Griechenland die Zahlungsunfähigkeit bescheinigen, blieb offen. Bei dem Treffen, das bis in die Nacht dauern sollte, seien keine Entscheidungen geplant, so Schäuble.

Denn die Auguren von Standard & Poors (S&P) haben den Europäern die Rute ins Fenster gestellt: Weil die Gefahr einer Umschuldung mit privater Beteiligung steige, stuften die Analysten Griechenland auf die weltweit schlechteste Bonitätsstufe CCC ab. Damit liegt das Euroland hinter Kamerun, Burkina Faso und Pakistan. (Völlig kaputte Staaten wie Somalia werden nicht gelistet.) Der Ausblick sei zudem negativ, teilte die Agentur mit.

Agentur stellt auf stur

Selbst wenn es nur zu einem teilweisen Zahlungsausfall komme, worunter normal jede nicht vorher abgemachte Rückzahlung falle, müsse das Land weiter abgestuft werden - die griechischen Papiere erhielten dann die Bonitätsklasse D (wie default oder Ausfall). Im Falle der Zahlungsunfähigkeit rechnet S&P, dass nur 30 bis 50 Prozent der griechischen Schulden zurückgezahlt würden.

Bei der Bewertung eines Ausfalls will Standard & Poors streng vorgehen. Ob die von der Eurozone anvisierte weiche Umschuldung "Reprofiling", "Roll-Over" oder "im Stil der Wiener Initiative" genannt wird - entscheidend ist für die Analysten der Nachweis der "Freiwilligkeit". Und bei Papieren mit einer Bewertung unterhalb von B- könne üblicherweise nicht davon gesprochen werden, heißt es seitens der Agentur. Es handle sich dann um eine Umschuldung in einer Notlage, um größeren Schaden abzuwenden - und das sei nicht freiwillig.

Im Neusprech der EU-Griechenlandretter bedeutet "Reprofiling" eine Verlängerung der Laufzeit von an sich fälligen Schulden. "Roll-Over" meint die Zeichnung neuer Anleihen für die auslaufenden. Die "Wiener Initiative" wiederum geht auf die freiwillige Fortsetzung des Engagements der in Ost- und Südosteuropa involvierten Großbanken während der Finanzkrise 2009 zurück. Im Gegenzug für eine IWF-Rettungsaktion in Ländern wie Rumänien, Ungarn und Ukraine fütterten sie ihre Osttöchter mit frischem Kapital.

Keine rasche Rückkehr

Wenn Freiwilligkeit vorherrsche, könne sie sich schwer vorstellen, dass die Ratingagenturen jede Art von Gläubigerbeteiligung als Staatspleite (default) werten, sagte Fekter.

Nötig geworden war das zusätzliche Rettungspaket für Griechenland im Umfang von rund 85 Milliarden Euro bis Ende 2014, weil der Staat nicht wie geplant schon 2012 auf den Finanzmarkt zurückkehren kann. Die Zinsen für zehnjährige Staatsanleihen schnellten nach der S&P-Abstufung auf fast 18 Prozent. Derzeit erhalten die Griechen nur für extrem kurze Laufzeiten Geld - am Donnerstag 1,6 Milliarden Euro aus 26-wöchigen Schatzbriefen zu fast 5 Prozent Zinsen.

Wenn die Banken, so wird offenbar geplant, auf bis zu 30 Milliarden Euro aus sofortigen Rückzahlungen verzichten, müssten Eurozone und IWF 55 Milliarden frische Euro lockermachen.

57 Milliarden Euro sind vom ersten Hilfspaket offen. Steht das Notkreditpaket bis zum regulären Treffen der Finanzminister nächsten Dienstag oder zum EU-Gipfel Ende nächster Woche, fließt Anfang Juli die nächste Zwölf-Milliarden-Tranche. Dafür hat sich das Land zu massiven Sparprogrammen und rascheren Privatisierungen verpflichtet.

In Griechenland haben indes die Gewerkschaften für heute, Mittwoch, zu einem Generalstreik gegen die Sparmaßnahmen der Regierung aufgerufen. Mit Beeinträchtigungen im Schiffs- und Flugverkehr wird gerechnet.