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Der Eurovision Song Contest darf "unter keinen Umständen politisiert und/oder instrumentalisiert und/oder anderweitig in Misskredit gebracht" werden, dafür haben die teilnehmenden TV-Stationen, die nicht nur Kandidaten, sondern auch Jury-Mitglieder entsenden, zu sorgen. So steht es im Regelkatalog des ESC, der sich ausdrücklich als "unpolitische Veranstaltung" sieht.
Das mag sich vielleicht in den "Merci Cherie"-70ern noch durchsetzen haben lassen, die zwar politisch keineswegs ruhiger, aber doch von der heutigen Medienfülle weit entfernt waren. Und es gab keine Publikumswahl, eine kleine Jury konnte man noch trefflich unter Kontrolle halten. Den heurigen Song Contest wird mit hoher Wahrscheinlichkeit die Ukraine gewinnen. Das rappende Kalush Orchestra hat natürlich keine explizite politische Botschaft. Aber jeder Ukrainer, jede Ukrainerin hat derzeit dieselbe Botschaft - er oder sie muss sie nicht einmal aussprechen. Und weil der Großteil der Europäer diese Botschaft unterstützt, wird die Ukraine definitiv zumindest beim Publikumsvoting gewinnen.
Somit wird der ESC 2022 - ob er es will oder nicht - eine politische Veranstaltung werden. Das war er übrigens schon zu dem Zeitpunkt, als Russland wegen der Invasion in der Ukraine von der Teilnahme ausgeschlossen wurde. Die Bemühung, das Event unpolitisch zu halten, war bereits ein politischer Akt. Ein Teufelskreis. Ist das ein Problem? Nicht wirklich. Spannender macht es den TV-Abend freilich nicht. Man kann also getrost sagen: Wladimir Putin hat auch den Song Contest 2022 kaputtgemacht.