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Die Grenzen der Sammelleidenschaft

Von Daniela Einsiedler

Gastkommentare
Daniela Einsiedler ist Ressourcenexpertin bei der Umweltberatung (www.umweltberatung.at/mehrweg).
© Umweltberatung

Die EU schreibt höhere Recyclingquote bei Plastik vor. Noch ökologischer wären weniger Verpackungsmüll und mehr Mehrwegverpackungen als Paradebeispiel für Kreislaufwirtschaft.


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Egal ob Joghurtbecher, Käseverpackung, Aludose oder Plastikflasche seit Jahresbeginn werden in Wien alle kleinen Plastik- und Metallverpackungen gemeinsam in der gelben Tonne gesammelt. Bis 2025 stellen alle Bundesländer auf die gemeinsame Sammlung aller Kunststoff- und Metallverpackungen um. Das soll die Recyclingquoten steigern, denn bis 2025 muss laut EU-Vorgaben die Hälfte aller Kunststoffverpackungen recycelt werden. Zurzeit stehen wir in Österreich aber bei nur 25 Prozent. Für Getränkeverpackungen gelten noch höhere Recyclingvorgaben: Bis 2029 müssen 90 Prozent der Getränkeflaschen aus Kunststoff recycelt werden. Daher wird ab 2025 auch ein Pfand auf Plastikflaschen und Getränkedosen eingehoben.

Es tut sich also einiges - doch was bringen die Änderungen tatsächlich im Sinne des Umweltschutzes und was sind die effektivsten Maßnahmen? Kurzum: Das Müllproblem lösen wir nicht allein durch mehr Recycling, sondern wir müssen weiter vorne ansetzen und deutlich weniger Müll produzieren. Bei Verpackungen heißt das: Produkte in Mehrwegverpackungen oder mit wenig Verpackung bevorzugen. Und die Einwegverpackungen, die sich nicht vermeiden lassen, werden in der gelben Tonne getrennt gesammelt. Die Österreicherinnen und Österreicher seien Meisterinnen und Meister im Sammeln, heißt es oft. Mögen sie es auch im Vermeiden von Abfällen werden!

Konsumreduktion ist am effektivsten

Bei genauerem Hinschauen sieht man: Die ständig steigenden Sammelmengen liegen vor allem an den ständig steigenden Müllmengen, die wir produzieren. Am umweltfreundlichsten ist es, wenn Produkte beziehungsweise Verpackungen gar nicht erst hergestellt werden. Dann müssen keine Rohstoffe gewonnen werden, und man spart auch Ressourcen und Energie für Produktion, Verkauf, Betrieb und Entsorgung.

Ein Beispiel aus dem Bereich Kunststoff: Wenn wir unseren Plastikverpackungsverbrauch in Österreich auf das Niveau des Jahres 2002 zurückdrehen, sparen wir damit mehr Primärkunststoff ein als mit der geplanten Anhebung der Recyclingquoten für Kunststoffverpackungen von derzeit 25 auf 55 Prozent. Das spricht nicht gegen höhere Recyclingquoten. Es spricht dafür, dort anzusetzen, wo sich die meisten Ressourcen einsparen lassen: bei der Konsumreduktion.

Ganz ohne Konsum und Verpackung geht’s zwar nicht, aber durch Kreislaufwirtschaft wird der ökologische Fußabdruck so gering wie möglich gehalten. Kreislaufwirtschaft bedeutet, dass vorhandene Produkte und Materialien so lange wie möglich genutzt und im Kreislauf gehalten werden - zum Beispiel durch Wiederverwenden, Teilen, Reparieren und dann ganz am Schluss durch Recycling.

Das Paradebeispiel der Kreislaufwirtschaft stellt die Mehrwegflasche dar: Diese Verpackung wird nach Gebrauch immer wieder gewaschen und neu befüllt, und zwar je nach Material 10 bis 50 Mal. Hat eine Mehrwegflasche ihr Lebensende erreicht, kann sie, wenn sie aus Glas ist, nahezu ohne Materialverluste recycelt werden. Bei Kunststoffverpackungen ist das Recycling immer mit Materialverlusten verbunden.

Rund zwei Jahrzehnte lang sind die Mehrwegflaschen langsam aus den Regalen verschwunden, aber seit ein paar Jahren geht’s wieder langsam bergauf. Und ab 2024 müssen alle österreichischen Supermärkte Getränke in Mehrwegflaschen anbieten auch Diskonter, die bislang kein solches Angebot geführt haben. Ab 2030 müssen 30 Prozent der angebotenen Getränke in Mehrwegflaschen abgefüllt sein. Wünschenswert wären viel höhere Mehrwegquoten. Denn die Einweggetränkeverpackungen verursachen viel Müll: Fast 160.000 Tonnen waren es im Jahr 2021.

Viel Luft nach oben im To-go-Bereich

Die morgendliche Koffeindosis für unterwegs, der Snack zwischendurch und das bequeme Lieferservice fürs Essen daheim lassen die Abfallberge wachsen. Auch hier sind Mehrwegalternativen zu Einwegverpackungen dringend nötig. Von professionellen Mehrwegsystemen bis zum selbst mitgebrachten Becher oder der Jausenbox, die im Geschäft angefüllt wird, gibt es viele Möglichkeiten.

In Österreich beruhen diese Alternativen bisher auf Freiwilligkeit, während es in Deutschland schon eine gesetzliche Verpflichtung gibt, dass Mehrwegverpackungen für To-go-Produkte angeboten werden müssen. Hierzulande verstreichen wertvolle Jahre, und die Müllberge wachsen weiter.

Die hohe Vielfalt an Materialien und Materialeigenschaften erschwert die sortenreine Sammlung und das Recycling. In manchen Recyclingverfahren gelingt es, Rezyklat herzustellen, das wieder für das ursprüngliche Produkt verwendet werden kann - das nennt sich "closed loop recycling", also Recycling im geschlossenen Kreislauf. Aber auch hier ist meist die Zugabe von Primärkunststoff notwendig - das heißt, es wird frischer Kunststoff unter das Recyclingmaterial gemischt.

In den meisten Recyclingverfahren für Kunststoff ist der Qualitätsverlust allerdings so hoch, dass das Rezyklat nur noch für Produkte eingesetzt werden kann, die deutlich geringere Anforderungen an das Material setzen. Oft sind diese Produkte dann, wenn sie selbst wieder zu Abfall werden, nicht mehr recyclingfähig. Das Recycling stößt also an seine Grenzen. Aus ökologischer Sicht wäre ein großes Angebot an verpackungsfreien Waren und Mehrwegverpackungen die wirkungsvollste Maßnahme.