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Die Grenzfrage

Von Reinhard Göweil

Leitartikel
Chefredakteur Reinhard Göweil.

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Österreichs Regierung ist mit der Idee, einen Grenzzaun zu Slowenien zu bauen, noch einen Schritt weiter gegangen als Ungarn. Denn die Grenze zwischen Österreich und Slowenien ist gemäß Schengen-Abkommen offen. Kroatien dagegen gehört als EU-Mitglied dem Schengen-Raum nicht an. Serbien ist kein EU-Mitglied. Und die Grenze zwischen Griechenland und Mazedonien ist EU-Außengrenze.

Der europapolitische Fleckerlteppich Balkan ist daher schwierig, denn Flüchtlingen sind europapolitischen Feinheiten nicht unbedingt bekannt.

Bei den Bürgern der EU sollten solche Grenzzaun-Debatten allerdings Großalarm auslösen - je jünger desto rascher. Denn die Schließung von Grenzen innerhalb der EU bleibt - wie Frächterproteste gegen die Grenzkontrollen zwischen Deutschland und Österreich schon gezeigt haben - nicht auf Flüchtlinge beschränkt.

Nun ist die Zeitlupe der EU in der Flüchtlingsfrage schwer genug zu akzeptieren. Aber das Hochziehen von Grenzen innerhalb der EU würde Europa zerstören, im Sinn des Wortes.

Was für Flüchtlinge gilt, wird dann leicht für alle und alles andere herhalten. Auch jene, denen jegliches Gutmenschentum fremd ist, sollten das wirtschaftspolitische Desaster sehen.

Dann wird es nicht mehr möglich sein, in einem anderen EU-Land zu arbeiten. Das ist heute noch schwierig genug. Doch anstatt bestehende (sozialversicherungstechnische) Hürden endgültig zu überwinden, würde es das Zusammenwachsen Europas beenden.

Und damit würde Europa in eine Kleinstaaterei zurückfallen, die vor allem den jungen Menschen jegliche Chance nimmt, an der Globalisierung teilzunehmen. Europas Unternehmen, alle paar hundert Kilometer vor neuen bürokratischen Eigenheiten stehend, würden an Wettbewerbsfähigkeit verlieren. Die es können, werden abwandern. Allen anderen wird es schlechter gehen als jetzt. Betriebe werden weniger Mitarbeiter einstellen, die Arbeitslosigkeit wird steigen.

Wer also für Grenzzäune ist, muss dazusagen, dass er damit einen Wohlstandsverlust ungeheuren Ausmaßes in Kauf nimmt. Wer möchte das den Kindern und Jugendlichen sagen?

Die vielen Flüchtlinge sind eine gewaltige Herausforderung, zweifellos. Doch Grenzzäune würden es unmöglich machen, diese Herausforderung zu meistern. Wer zweifelt, möge nachlesen, was nach 1918 in Mitteleuropa passiert ist.