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In der Krise zeigt sich, wie wenig das Volk der Souverän ist. Nun erweist es sich aber immer stärker als Störfaktor für Regierungen und Wirtschaft.
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Mit der Demokratie ist es, wie man auf gut Wienerisch sagt, ein Gfrett. Etwa, wenn die Wahl in Griechenland partout nicht so ausgehen will, wie es sich Regierungen in anderen EU-Staaten erwarten. Diese hoffen noch auf den erneuten Urnengang am 17. Juni. Zuvor darf noch ein bisschen wegen der Iren gezittert werden, die als Einzige über den Fiskalpakt abstimmen dürfen, aber weil die Umfragen ein Ja voraussagen, gilt die Unruhe eher den EU-internen Streitereien über die strengen Budgetregeln. Mehr noch als ideologische Differenzen der Eliten wird aber der Souverän, das Volk, für Regierungen und Banker zum immer stärkeren Störfaktor.
Die Griechen haben allen Grund, den politischen Clans, die das Land seit Jahrzehnten beherrschen, endlich eine Absage zu erteilen. Diese haben den Staat in seine heutige Lage gebracht, sie haben sich an ihm bereichert und liefern ihn nun auf Gedeih und vor allem Verderb jenen Staaten aus, die von der Schieflage einiger europäischer Volkswirtschaften am meisten profitieren. Das sind ausgerechnet dieselben, die man gerne als den Motor der EU bezeichnet, obwohl sie doch längst deren Lenkung übernommen haben - und das keineswegs selbstlos. Für Deutschland ist Griechenland auch heute noch der wichtigste Abnehmer seiner Rüstungsgüter, für Frankreich der drittwichtigste. Die großzügige Geldhilfe, die man Athen unter erpresserischen Bedingungen gewährte, diente vor allem der Stützung der eigenen Kreditinstitute - bei den griechischen Bürgern kam sie nie an. Gegen die Rolle der Banken sollte in der Finanzmetropole Frankfurt protestiert werden - die Versammlungsfreiheit wurde massiv eingeschränkt.
Kann es da ernsthaft verwundern, dass viele Menschen ihre Interessen vernachlässigt sehen gegenüber denen der Finanzwirtschaft? Sie suchen politische Alternativen, und wo sich diese finden, haben sie Erfolge - entweder, wie in Frankreich, in Form einer etablierten Partei, oder, wenn sich die Möglichkeit bietet, in Form eines unverbrauchten Gegenpols. In Griechenland ist das Syriza, ein Bündnis, das sich zwar radikal nennt, aber keineswegs so extrem positioniert ist, wie unsere Medien ebenso falsch wie permanent behaupten.
Deutlich weniger folgenschwer sind die Erfolge der Piratenpartei, sie zeugen aber gleichfalls vom wachsenden Unbehagen und sorgen im reichen Deutschland ebenso für Unruhe wie die Griechen in Europa. Wo sich die Piraten zu programmatischen Aussagen durchgerungen haben, erheben sie linke Forderungen, mindestens ebenso anziehend auf die Wähler wirkt aber wohl das Versprechen größerer Mitbestimmung und Transparenz.
"Sind wir nicht alle Piraten?" sang einst Lukas Resetarits als Parodie eines Rockstars in dem Film "Freispiel". Nein, keineswegs alle, muss man wohl antworten. Aber die von den Kapitänen der großen Flaggschiffe geforderte Disziplin schwindet offenbar zusehends. Die Peitsche hilft wenig, wenn statt Zuckerbrot oft nicht einmal mehr Zwieback übrig bleibt. Griechenland ist vielleicht nur der Vorbote einer größeren Meuterei.