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Die griechischen Verlierer

Von WZ-Korrespondent Gerd Höhler

Politik

Nach monatelangem Tauziehen haben sich Athen und die Geldgeber auf eine neue Finanzspritze geeinigt - wieder zulasten der Pensionisten.


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Athen. (n-ost) "Es ist ein entscheidender Schritt für das Land auf dem Weg aus der Krise", jubilierte Griechenlands Premier Alexis Tsipras am Freitag. Tags zuvor hatten die Euro-Finanzminister beschlossen, dass die Regierung in Athen weitere 8,5 Milliarden Euro aus dem bis zu 86 Milliarden schweren Kreditprogramm erhalten soll. Außerdem erzielten sie eine Verständigung mit dem Internationalen Währungsfonds (IWF), der bei der Griechenland-Rettung an Bord bleibt.

Die Pensionisten, die vor dem Parlament demonstrieren, darunter auch Vasiliki Papadopoulou und Agni Georgopoulou, teilen die Euphorie nicht: "Hände weg von unseren Pensionen", steht in großen roten Buchstaben auf dem selbstgemachten Banner.

Vor sieben Jahren ging Gymnasiallehrerin Papadopoulou in Pension. Knapp 1400 Euro bekam sie damals. "Fünf Mal hat man mir die Bezüge seither gekürzt", klagt die 72-Jährige, "heute bekomme ich 960 Euro." Nach Abzug der Steuern und der Ausgaben für Miete, Strom und Telefon bleiben der ehemaligen Lehrerin gerade 450 Euro im Monat. Ihre 73-jährige Freundin Agni Georgopoulou bekam anfangs 2100 Euro, als sie 2008 als Bankangestellte in Pension ging. Nach mehreren Sparrunden hat sich ihr Ruhegeld auf 1080 Euro fast halbiert. Die Zusatzpension, für die sie 35 Jahre lang freiwillig Beiträge eingezahlt hatte, sei sogar von 380 auf 130 Euro gekürzt worden.

Jetzt kommen auf Millionen griechische Pensionisten neue Opfer zu. Um den Weg zu einer Einigung mit den Geldgebern zu ebnen, hatte Tsipras vor einer Woche im Eilverfahren ein weiteres Sparpaket durchs Parlament gepeitscht. Danach bleiben die bereits bis 2021 gedeckelten Pensionen nun auch 2022 eingefroren. Geschätzte Einsparung: 250 Millionen Euro. Dabei leben schon jetzt viele alte Menschen an der Armutsgrenze. Von den knapp 2,9 Millionen griechischen Pensionisten beziehen drei Viertel weniger als 1000 Euro im Monat. 1,2 Millionen müssen mit Netto-Bezügen von weniger als 500 Euro monatlich auskommen. Das "Netzwerk Vereinigte Rentner" hat seit Beginn des Sparkurses im Frühjahr 2010 bereits 22 Pensionskürzungen und Beitragserhöhungen dokumentiert.

Pensionisten müssen auch Langzeitarbeitslose versorgen

"Uns bleibt immer weniger", klagt einer der Demonstranten auf dem Athener Syntagmaplatz. Mit seiner Pension von 845 Euro muss der 66-Jährige nicht nur den eigenen Lebensunterhalt bestreiten, sondern auch Sohn und Schwiegertochter durchbringen, die seit drei Jahren arbeitslos sind. Arbeitslosengeld wird in Griechenland maximal ein Jahr gezahlt, eine Grundsicherung gibt es nicht. Viele Langzeitarbeitslose leben von den Pensionen ihrer Eltern.

Bessere Zeiten sind für die griechischen Pensionisten nicht in Sicht, im Gegenteil. Trotz der tiefen Einschnitte bei den Bezügen und der Anhebung des Pensionsantrittsalters auf 67 Jahre wird das griechische Rentensystem auf absehbare Zukunft defizitär bleiben. Das hat zwei Gründe. Der eine ist die extrem hohe Arbeitslosenquote von derzeit knapp 23 Prozent. Die knapp 1,1 Millionen Arbeitslosen fallen als Beitragszahler aus. Nach Berechnungen des IWF wird die Arbeitslosenquote frühestens in 21 Jahren wieder das Vorkrisenniveau von rund acht Prozent erreichen. Der zweite Grund der Misere ist die extrem ungünstige Bevölkerungsentwicklung. Laut einer Studie der Alpha Bank kommen auf zehn Menschen im erwerbsfähigen Alter drei Bürger über 65 Jahren. 2060 werden es bereits sechs sein. Die Schuldenkrise bremst das Bevölkerungswachstum zusätzlich, weil sich immer weniger Familien Kinder leisten können oder wollen. Die Geburtenrate ging während der Krise um zehn Prozent zurück.

Schuldenerleichterungen bleiben ungeklärt

Weiter offen ist, wann Griechenland an den Kapitalmarkt zurückkehren kann.

Ebenfalls ungeklärt ist, ob Griechenland die geforderten Schuldenerleichterungen erhält. Darüber wollen die Euro-Partner erst entscheiden, wenn ihr Programm im Sommer 2018 ausgelaufen ist. Wie Tsipras drängt auch der IWF auf derartige Entlastungen, weil er den Schuldenberg für dauerhaft nicht tragbar hält. Daher beteiligt sich der Fonds nur unter Vorbehalt an kommenden Hilfen. Er legt zwar ein ergänzendes Programm über bis zu zwei Milliarden Dollar auf. Das Geld soll aber erst ausgezahlt werden, wenn Schuldenerleichterungen beschlossen werden.