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Die große Angst vor dem Informationsbeauftragten

Von Patrick Krammer

Politik

Informationsbeauftragte gelten als Mittel für einen gut geregelten Zugang zu Informationen. Verfassungsministerin Edtstadler sträubt sich dagegen. Wieso?


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Es bedurfte lediglich einer Anfrage nach dem Auskunftsgesetz, um der Republik knapp 80.000 Euro zurückzuholen - und der früheren Familienministerin Sophie Karmasin (ÖVP) ordentlich Probleme zu bereiten. Der ORF-Moderator Martin Thür wollte nur wissen, welche Minister und Ministerinnen nach ihrem Ausscheiden aus der Politik weiter Bezüge kassieren. Dazu musste er zunächst einmal zwei Jahre vor Gericht kämpfen, doch am Ende ergab sich, dass sich Karmasin 80.000 Euro auszahlen ließ und dafür mutmaßlich die Unwahrheit sagte. Nach Medienberichten zahlte sie das Geld zurück. Sie muss sich am 25. April trotzdem vor Gericht erklären.

Für Transparenzaktivisten ist das ein schönes Beispiel, wie mit dem Zugang zu staatlichen Informationen (politische und strafrechtliche) Korruption bekämpft werden kann und wo es derzeit Probleme gibt: Aber das Auskunftspflichtgesetz ist im internationalen Vergleich zahnlos. Über ein modernes Informationsfreiheitsgesetz (IFG) wird seit zehn Jahren geredet, Fortschritt gibt es kaum. Und das, obwohl es nun schon in mehreren Regierungsprogrammen vorkommt. Die türkis-grüne Regierung hat am 22. Februar 2021 einen Gesetzesentwurf eingebracht - mehr als die Regierungen davor lieferten -, doch seither stockt es auch hier.

Mit dem Entwurf ist niemand recht zufrieden, den einen geht er nicht weit genug, den anderen zu weit. Doch für viele der Probleme gäbe es eine international anerkannte Lösung, Verfassungsministerin Karoline Edtstadler (ÖVP) wehrt sich allerdings dagegen. Die Rede ist von einem Informationsbeauftragten, der beraten, eingreifen und den notwendigen Kulturwandel beschleunigen könnte.

Mehr Beratung, schnellere Verfahren

Der Zugang zu Informationen steht vor einem Grundproblem: Auf der einen Seite steht das Interesse der Bürger. Sie wollen wissen, was die Verwaltung mit ihrem Steuergeld so macht. Auf der anderen Seite die Verwaltung. Sie ist durch das Amtsgeheimnis immer noch in ein strenges Korsett gepresst, das dazu anregt, so wenig wie möglich preiszugeben. Gemeinden kritisieren - teilweise zu Recht -, dass man hier von ihren Bediensteten zu viel verlangen würde. Sie müssten juristische Güterabwägungen vornehmen. Entscheiden, ob das Recht auf Auskunft schwerer wiegt als das Recht auf Datenschutz, Geschäftsgeheimnisse oder Ähnliches. Selbst wenn das Amtsgeheimnis durch das Informationsfreiheitsgesetz fällt, stünden sie vor dieser Herausforderung.

Genau das kritisiert auch der Österreichische Gemeindebund. Er warnt vor Mehraufwand, der durch ein weitgehendes Informationsfreiheitsgesetz entstehen würde. In kleinen Gemeindeämtern mit zwei Mitarbeitern sei man schnell am Limit, sagt ein Sprecher zur "Wiener Zeitung". In einer Stellungnahme zum Gesetz spricht sich der Gemeindebund zwar grundsätzlich für Informationsfreiheit aus, kritisiert in weiterer Folge dann aber so gut wie jegliche Ausweitung der jetzigen Regeln. Sogar der Interessensverband fordert eine eigene Behörde, "die den Gemeinden tatsächliche und rechtssichere Hilfestellungen in allen Belangen bietet".

Die Lösung dieses Problems wäre ein Informationsbeauftragter, sagt Mathias Huter vom Forum Informationsfreiheit, einem Verein, der sich seit zehn Jahren für ein IFG einsetzt. Diese Stelle könnte Behörden beraten und Präzedenzfälle sammeln, "damit die Verwaltung nicht jeden Fall von null auf bewerten muss", erklärt Huter.

Auch im Fall Thür hätte ein Informationsbeauftragter helfen können. Thür musste bis vor den Verfassungsgerichtshof ziehen, um eine Auskunft zu bekommen. "Im Streitfall könnte diese Stelle eine Vorentscheidung treffen, gegen die Behörden oder Bürger dann vor Gericht gehen könnten." International sehe man, dass es so kaum zu Gerichtsfällen komme, meint Huter, der darin neben einer Arbeitserleichterung der Verwaltungsgerichte auch schnellere Auskunftsverfahren erwartet.

Doppelrolle für Datenschutzbehörde

Einen Informationsbeauftragten werde es "sicher" nicht geben, kündigte Edtstadler im Nachrichtenmagazin "profil" Ende Februar allerdings an. Ein Informationsbeauftragter sei eine Sonderbehörde, wie sie in einer Reform 2014 abgeschafft worden seien. Stattdessen soll die Datenschutzbehörde eine Doppelfunktion bekommen und staatliche Stellen beraten, Bürgerinnen und Bürger sollen auf sich selbst gestellt bleiben. Obendrein kann sich die Behörde nur zu Datenschutzbedenken äußern, nicht zu möglichen, anderen notwendigen, Abwägungen. Staatliche Stellen hätten hier keine Rechtssicherheit, kritisiert der Gemeindebund. Huter befürchtet dadurch wiederum einen Hang zu mehr Geheimhaltung: "Einerseits, weil eine Datenschutzbehörde den Datenschutz, also Geheimhaltung, als Mandat hat und Aspekte, die Transparenz rechtfertigen, nicht in Betracht ziehen würde." Andererseits, weil Bürgerinnen und Bürger keine Unterstützung bekommen würden. In anderen Ländern gibt es zwar Behörden, die Datenschutz und Informationszugang kontrollieren, die sind aber organisatorisch voneinander getrennt und haben das Mandat, den Informationszugang voranzutreiben. Das fehle im Entwurf, so Huter.

Unesco für einen Informationsbeauftragten

International gilt ein Informationsbeauftragter als bestes Mittel für einen sinnvollen Zugang zu Informationen. Das ergab auch eine Untersuchung der Unesco, die vergangenes Jahr veröffentlicht wurde. Sie erhob bei 123 Ländern, die Informationsfreiheitsgesetze haben, wo es Probleme gab und wie diese gelöst wurden. Das Ergebnis: 90 Prozent sagten, es brauche eine übergeordnete, überprüfende Institution. 79 Prozent haben einen Informationsfreiheitsbeauftragten oder eine ähnliche Stelle, die kontrolliert, schult und statistisch erfasst. Und das zeigt Wirkung: Die Unesco hat erhoben, dass 2022 insgesamt 77 Prozent aller Anfragen beauskunftet worden sind. In Österreich dürfte die Sache anders ausschauen. Offizielle Zahlen gibt es keine, dafür müsste man jedes Ministerium, Bundesland und jede Gemeinde einzeln anfragen. Über das Portal FragDenStaat.at, mit dem man derzeit Anfragen nach dem Auskunftspflichtgesetz stellen kann, ist eine Annäherung an die Zahl möglich. Von insgesamt 2.220 gestellten Anfragen waren 34 Prozent erfolgreich, der Rest wurde nur teilweise beantwortet oder abgelehnt, in einigen Fällen war die Information nicht vorhanden.

Die "Wiener Zeitung" wollte vom Büro der Verfassungsministerin wissen, wieso man sich so sehr gegen eine solche Stelle stellt. Das antwortete zwar, verwies aber auf derzeit laufende "Gespräche und Verhandlungen", weshalb man "zum jetzigen Zeitpunkt keine Details kommentieren" wolle. Ein neuer Gesetzesentwurf soll bis Juni stehen. Ohne Informationsbeauftragten.