Debatte um die FMA sollte rasch beendet werden. | EU-Kartellstrafe bei Raiffeisen Zentralbank an falscher Adresse gelandet. | "Wachstum in Osteuropa noch immer groß genug."
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"Wiener Zeitung":Die Bawag wird unter ihrem künftigen Eigentümer, dem amerikanischen Fonds Cerberus, groß zum Angriff blasen. Inwieweit kommt der heimische Bankenmarkt dadurch in Bewegung?Walter Rothensteiner: In Wahrheit kann die Bawag auch nur mit Wasser kochen. Jede Bank muss bei ihren Marktaktivitäten die Substanz im Auge behalten. Wir sehen auch dem nun kommenden Wettbewerb mit Gelassenheit entgegen. Man wird die Bawag sicherlich am Markt merken - sie wird sicher neue Aktivitäten setzen. Aber das gehört zum Wettbewerb dazu.
Sie bleiben also entspannt?
Wir haben andere Fälle auch schon gehabt. Einmal kommt die HVB und erklärt uns, der Markt wird neu. Dann kommt UniCredit (die jetzige Bank-Austria-Mutter, Anm.) und sagt, der Markt wird neu. Nun: Der Markt ist noch immer der gleiche.
Wie realistisch ist dann das Ziel von Cerberus, den Wert der Bawag in einem weitgehend gesättigten Markt wie Österreich binnen fünf Jahren zumindest zu verdoppeln? Cerberus will die Bawag 2012 an die Börse bringen und komfortabel aussteigen...
Nehmen wir das Beispiel Raiffeisen International (RI, Anm.). Da ist uns das gelungen. Es gibt aber auch andere Beispiele, wo das nicht der Fall war. Irgendwo dazwischen wird sich die Bawag einpendeln.
Raiffeisen ist am Bundeszahlungsverkehr interessiert. Haben Sie Signale aus der Politik, dass dieses Geschäft, das derzeit von der Bawag P.S.K. abgewickelt wird, neu ausgeschrieben wird?
Signale haben wir noch keine. Bis zum Bawag-Closing im Mai läuft da sowieso nichts. Man muss auch schauen: Ist die Republik daran interessiert, dieses Geschäft neu zu vergeben, oder nicht. Die Republik wird dann Interesse zeigen, wenn wir ein entsprechend gutes Angebot legen. Die Frage wird sein, ob sich ein solches Angebot rechnet. Wir sind dabei, das in Ruhe zu analysieren. Ob man etwas verdienen kann oder nicht, müssen wir selber entscheiden. Wenn man hier nichts verdienen kann, dann werden wir dieses Geschäft sicher nicht machen.
Was interessiert Sie an diesem Geschäft? Der Zahlungsverkehr bringt doch in Österreich im Regelfall Verluste.
So gut wie jeder Bundesangestellte hat ein Konto bei der Postsparkasse. Das bietet ein großes Geschäftspotenzial auch für andere Produkte.
Ist es grundsätzlich ein Problem, wenn der Zahlungsverkehr des Bundes über eine Bank mit einem amerikanischen Eigentümer läuft?
Mit diesen Nationalismen müssen wir aufhören. Die Bawag ist eine Bank, die in Österreich eine Konzession hat und auch ihr Hauptgeschäft in Österreich macht. Wem sie gehört, darf keine Rolle spielen. Soll etwa eine mehrheitlich börsenotierte Bank nicht zum Zug kommen dürfen, nur weil man nicht weiß, ob das mehrheitlich Österreicher sind?
Sie sind Bundesobmann der Kreditsparte. Das Thema Finanzmarktaufsicht sorgt in der Branche immer wieder für Unmut - hohe Aufsichtskosten, überbordende Bürokratie. Eine Reform steht an. Können Sie einer Ansiedelung der Bankenaufsicht in der Nationalbank etwas abgewinnen?
Als Sparte halten wir uns aus dem Thema raus. Die Geprüften sollten sich nicht aussuchen, wer sie prüft. Ich habe immer gesagt, es soll nicht alle vier Jahre eine Reform der FMA geben. Die Struktur der FMA ist nicht notgedrungen an die Legislaturperiode gebunden. Die jetzige Finanzmarktaufsicht war ein Allparteienbeschluss. Warum das jetzt alle vier Jahre anders sein muss, verstehe ich nicht. Im Übrigen ist es eine Illusion zu glauben, dass eine Prüfung nichts kostet, wenn sie von der Nationalbank übernommen wird. Die Frage ist allenfalls, wer dafür aufkommt.
Sie sind also dafür, dass alles beim Alten bleibt?
Man soll auf politischer Ebene zu einer Entscheidung kommen und danach die FMA arbeiten lassen. In der FMA sitzen 200 Leute, die im Ungewissen gehalten werden, wie es weitergeht. Es ist auch für uns Geprüfte nicht so angenehm, wenn die Mitarbeiter der FMA Sorgen um ihren Job haben.
Es gibt den Vorwurf, die FMA würde die Banken mit Bürokratie zuschütten. Ist es wirklich so schlimm?
Es ist ein unbestrittenes Faktum, dass im Bankenbereich die Kosten wegen bürokratischer Vorschriften stetig steigen. Das wird mit dem Argument der guten Ertragslage der Banken gerechtfertigt. Es ist uns aber wichtig, immer darauf hinzuweisen, dass der steigende zusätzliche Aufwand unabhängig von der Ertragslage ist.
Stichwort Lombard-Klub: Von acht heimischen Banken haben Bank Austria, Volksbanken-AG und Erste Bank, aber auch die RZB vor kurzem gegen die EU-Kartellstrafen berufen. Was erwarten Sie sich jetzt?
Die Raiffeisen Zentralbank wurde hier stellvertretend für den Sektor bestraft, denn der Vorwurf lautete, der Sektor tue das, was wir vorgeben. Beobachter des Marktes wissen jedoch, dass der Sektor unabhängig ist. Und das gilt auch für Konditionen-Fragen. Daher auch die Berufung der RZB.
Brüssel hat in Ihrem Fall die Strafe falsch adressiert?
Wir haben ja auch hauptsächlich aus diesem Grund berufen. Keine Landesbank stimmt die Konditionen mit uns ab. Das hätte auch keinen wirtschaftlichen Sinn, denn wir haben nicht dieselben Kundengruppen.
Soll die Geldstrafe von gut 30 Millionen Euro ganz weg?
Ich kann eine Entscheidung der EU-Kommission nicht vorwegnehmen. Aber der Standpunkt der Raiffeisen Zentralbank ist klar.
Der IWF, der Internationale Währungsfonds, und anderen Stellen sind der Meinung, das Geschäft in Osteuropa, das im RZB-Konzern über Raiffeisen International läuft, sei besonders riskant. Wie sehen Sie das?
Die Fakten sprechen für sich: Die Wirtschaftsdynamik in den einzelnen Ländern ist nach wie vor beachtlich. Solange der Ölpreis so hoch ist, stabilisiert sich Russland jede Woche mehr. Wenn kein externer Schock wie zum Beispiel der 11. September passiert, gibt es keine Gründe, warum sich da so schnell etwas ändern sollte.
Wie sieht es denn mit der Kapitalrendite aus?
Realistischerweise müsste man auf die Dauer in Zentral- und Osteuropa gut 20 Prozent verdienen können. Das dortige Wachstum ist noch immer groß genug. Es gibt große Bevölkerungsgruppen, die noch nicht über ein eigenes Konto verfügen und auch noch keine Kredite haben.
Die RI setzt auf starkes Wachstum. Wann kommt die nächste Kapitalerhöhung?
Während des Börsegangs haben wir immer bestätigt, dass es vor 2007 keine Kapitalerhöhung der RI geben wird. Die RI ist ein stark wachsendes Unternehmen, das nicht nur durch organisches Wachstum, sondern auch durch Akquisitionen einen hohen Kapitalbedarf hat. Ob eine Kapitalerhöhung der RI im Laufe des Geschäftsjahres 2007 oder 2008 erfolgen wird, kann ich derzeit nicht kommentieren.
Seit zwei Jahren notiert die RI an der Börse, der Streubesitz ist mit 30 Prozent relativ überschaubar. Kommt für Sie in Frage, dass die RZB von den derzeit 70 auf bis zu 51 Prozent zurückgeht, indem sie etwa bei Kapitalerhöhungen nicht mitzieht?
Das ist eine theoretische Option. Wir haben überhaupt kein Interesse, unser bestes Asset zu versilbern.
Warum haben Sie dann im Jänner 1000 RI-Aktien aus ihrem persönlichen Besitz verkauft?
Als Aufsichtsratvorsitzender der RI unterliege ich starken Einschränkungen und habe nur ganz kurze Zeitfenster, in denen ich handeln kann. Daher habe ich fast keine Wahl mir auszusuchen, wann ich kaufe oder verkaufe, und habe eine Möglichkeit genutzt.
Abschlussfrage: Würde Sie ein Wechsel an die Spitze der Nationalbank reizen? Klaus Liebscher geht Ende August 2008. ..
Die Frage stellt sich nicht. Ich habe in der RZB einen Vertrag, der seit 11. März 2007 für die nächsten fünf Jahre läuft.
Zur Person
Als RZB-Chef zieht Walter Rothensteiner seit 1.Juni 1995 die Fäden im drittgrößten Bankkonzern Österreichs. Im mächtigen Reich der Giebelkreuzer ist der gebürtige Sankt Pöltner mittlerweile seit 32 Jahren tätig. In der heimischen Finanz-Szene gilt der 54-Jährige als schlagfertiger und stets gut gelaunter Kommunikationsturbo.