Derzeit werden in ganz Wien 2.000 Menschen pro Tag geimpft. Vor kurzem waren es noch bis zu 30.000.
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Die große Corona-Impf- und Teststelle im Austria Center Vienna (ACV) erscheint noch größer zu sein als sonst: Es herrscht gähnende Leere bei der Einfahrt in der Tiefgarage - trotzdem wird man vom Einweisepersonal hereingewunken. Nur auf die Zuweisung in die Parkreihen wird verzichtet, weil sie leer stehen. Die Rolltreppe nach oben rattert still und einsam vor sich hin, das sonst so geschäftige Auskunftspersonal steht in Grüppchen mit Automatenkaffee herum und plaudert. Dort, wo sich bis vor kurzem noch Menschenschlangen vor den blauen Anmelde-Containern gewunden haben, pfeift nur noch der kalte Wind durch die Stahlgitter-Absperrungen.
"Es ist hier grad völlig tote Hose, fast schon gespenstisch", sagt eine Diplomkrankenpflegerin in der Impfbox am frühen Nachmittag. Daran habe auch das Eintreffen des Novavax-Impfstoffes nichts geändert. "Wir haben dafür nur eine Impfbox geöffnet, und da waren heute gerade mal vier Leute da." Im August seien es noch 15.000 pro Tag gewesen, die hier täglich geimpft wurden - allein im Austria Center. Zu Spitzenzeiten wurden in ganz Wien bis zu 30.000 Impfungen am Tag verabreicht.
Doch in den vergangenen Tagen wurden im Austria Center nicht einmal 250 Personen pro Tag geimpft, heißt es aus dem Büro von Gesundheitsstadtrat Peter Hacker. Auffrischungsimpfungen gab es insgesamt 835 in der vergangenen Woche. Mit Novavax wurden nur 116 Personen im ACV geimpft - in ganz Wien waren es 362 Novavax-Impfungen.
"Warum noch impfen, wenn alles öffnet?"
"Es wird gerade alles geöffnet, auch 2G am Arbeitsplatz soll bald wegfallen - das heißt, man muss nirgends mehr herzeigen, dass man geimpft ist und wie es aussieht, dürfte die Impfpflicht nächste Woche auch noch fallen. Wozu also impfen, dürften sich gerade viele fragen", meint jemand vom Samariterbund. Das Argument vieler, auf Novavax zu warten, sei wohl oft auch nur eine Ausflucht wegen ihrer Verweigerungshaltung gewesen, um nicht wie ein totaler Impfverweigerer dazustehen.
Im Wiener Rathaus stoßen die Öffnungsschritte der Bundesregierung jedenfalls auf Unverständnis - weshalb Bürgermeister Michael Ludwig zumindest in der Gastronomie bis auf weiteres bei der 2G-Regelung bleiben will. Auch wenn die Zahl der Fälle auf den Intensivstationen zurückgeht, zähle man in Wien derzeit immerhin noch 576 Covid-Infizierte in den Spitälern. Der Maximalwert während der gesamten Pandemie lag laut Gesundheitsressort bei 599.
Die von der Regierung eingesetzte Expertenkommission zur Evaluierung der Impfpflicht soll am Dienstag ihren ersten Bericht vorlegen. Auf dieser Basis wollen ÖVP und Grüne dann entscheiden, ob Verstöße ab Mitte März sanktioniert werden. Derzeit verstößt knapp eine Million Erwachsene gegen die Impfpflicht, wie aus Zahlen des Gesundheitsministeriums hervorgeht. Fortschritte beim Impfen gibt es seit Anfang Februar kaum.
36 Todesopfer binnen 24 Stunden
Österreichweit gab es am Freitag - also einen Tag vor dem weitgehenden Ende der Corona-Schutzmaßnahmen - 32.419 Neuinfektionen und 36 Todesopfer binnen 24 Stunden. In den vergangenen sieben Tagen wurden 235 Todesfälle registriert. Pro 100.000 Einwohner sind seit Beginn der Pandemie 167,5 Menschen an oder mit Covid-19 gestorben.
"Aber falls die Bundesregierung doch an der Impfpflicht festhalten sollte und ab 15. März gestraft wird, schaut’s mit dem Impfen bei uns auch bald wieder ganz anders aus", ist man im ACV überzeugt. "Jedenfalls geht der Mückstein nicht ohne Grund", meint man hinter vorgehaltener Hand.
Tatsächlich werden im ACV die Impfkapazitäten monatlich auf Basis eines Prognosemodells berechnet und entsprechend angepasst. "Seit dem Höhepunkt der Impfungen Mitte November wurden die Kapazitäten schrittweise reduziert", meint ein Sprecher des Gesundheitsstadtrates. Der Betrieb im ACV werde auf jeden Fall bis Ende April stattfinden. Die Planung für Mai erfolge Ende März. Derzeit arbeiten im ACV 41 Personen - "Beim Peak im November waren 262", so der Sprecher.
Exakt 6.244.007 Menschen und somit 69,9 Prozent der Österreicher verfügen derzeit über einen gültigen Impfschutz. Am höchsten ist die Schutzrate (gültiges Impfzertifikat) im Burgenland mit 76,1 Prozent. In Niederösterreich sind es 72 Prozent, in der Steiermark 70,7 Prozent. Nach Wien (68,9), Tirol (68,1), Kärnten (66,8), Salzburg (66,1) und Vorarlberg (65,9) bildet Oberösterreich das Schlusslicht mit 65,5 Prozent.
Erneute Forderung nach Anlaufstellen zu Long Covid
In Wien werden laut aktuellen Zahlen im Siebentagesschnitt rund 1500 Impfungen verabreicht. Österreichweit sind es rund 5.200. Im Vergleich dazu waren das Ende Jänner noch 7.100 beziehungsweise 36.700.
Angesichts der weiterhin hohen Infektionszahlen hat übrigens die Wiener ÖVP ihre Forderung nach der Schaffung eines Long-Covid-Netzwerks erneuert. "Rund 10 Prozent aller Infizierten leiden an Long Covid, von den Spitalspatienten sind sogar 70 Prozent betroffen", erklärte Gesundheitssprecherin Ingrid Korosec. Das bedeute für Wien potenziell mehr als 22.000 Betroffene. Korosec schlägt neben einem interagierenden Netzwerk bestehend aus Hausärzten, Spezialkliniken, Rehazentren und Selbsthilfegruppen auch organisierte Anlaufstellen vor - "im Optimalfall vier bis fünf in der Stadt, entsprechend räumlich ausgestattet mit jeweils drei Ärzten, medizinischem und administrativem Personal und wissenschaftlicher Datenverarbeitung". Ansonsten würden die Betroffenen im Kreis geschickt: "Nicht selten werden Patienten monatelang ohne konklusive Diagnostik von Untersuchung zu Untersuchung laufen", heißt es. Die Stadt Wien sollte sich hier an England orientieren, schlägt Korosec vor. Dort gebe es bereits 89 solcher Anlaufstellen - und die seien in der zweiten Covid-Welle immerhin 1.500 Mal pro Woche aufgesucht worden, so Korosec.