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Die große Koalition anno 2030

Von Clemens Neuhold

Politik

Moitzi (SPÖ): Mehr Sozialstaat, mehr Vermögensteuern, für Frauenquote.|El Habbassi (ÖVP): Für starke Firmen, gegen Wahlzuckerln, gegen Frauenquote.


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1) El Habbassi: Die Schulden von heute sind die verlorenen Chancen von morgen. Ich denke, es ist die Aufgabe von uns Jungen, unsere Zukunft selbst in die Hand zu nehmen und notwendige Reformen laut einzufordern. Dabei geht es nicht darum, Jung und Alt gegeneinander auszuspielen oder jemandem etwas wegzunehmen. Ich denke dabei etwa an einen aktiven Schuldenabbau ab 2020, Anpassung des tatsächlichen Pensionsantrittsalters an das gesetzliche ohne Wenn und Aber. Im Bildungsbereich müssen wir Dauer-Experimente und ewige Plaketten-Diskussionen beenden und ein Konzept vom Kindergarten bis zur Hochschule entwickeln. Bildung muss das Thema Nr. 1 sein.

Moitzi: Schuld am Anstieg des Budgetdefizits und der Staatsschulden sind die Großbanken, die der Staat in der Finanzkrise mit Milliarden stützen musste. Nicht schuld sind niedrige Pensionen und ältere Arbeitnehmer, die am Ende ihres 45-jährigen Erwerbslebens in die wohlverdiente Pension wechseln. Kein junger Mensch profitiert, wenn der Oma die Pension gekürzt wird - im Gegenteil. Die richtige Antwort auf die Krise ist der Ausbau des Sozialstaats - vom Kindergarten bis zur Pflege, finanziert von denen, die die Krise verursacht haben: Banken, Konzernen, großen Vermögen.

2) Moitzi: Noch niemand hat schlüssig erklärt, was eine Rückkehr zum Schilling ökonomisch bringen soll. Klar ist aber auch, dass der Euro nur dann verteidigt werden kann, wenn Europas Wirtschaftspolitik endlich umlenkt: Wir brauchen Vollbeschäftigungspolitik statt Kürzungsorgien, gerechtere Verteilung statt Rettungspakete für die Reichen. Es wird auf Dauer nicht gehen, dass ein paar Länder im Norden den Zuchtmeister spielen und gleichzeitig Lohndumping betreiben, sonst droht der Euro zu zerbrechen.
El Habbassi: Eine Rückkehr zum Schilling wäre absurd und würde unserer Wirtschaft schaden. Meiner Meinung nach befinden wir uns nicht in einer Euro-Krise, sondern in einer Staatsschuldenkrise. In Zeiten wie diesen benötigen wir nicht weniger, sondern mehr Europa. Dafür braucht es Commitment, Transparenz, aber auch mehr Haushaltsdisziplin der Staaten und nicht, wie wir es jetzt erleben, eine Aufweichung des Wachstums- und Stabilitätspakts.

3) El Habbassi: Als föderales Land sind die Bundesländer ein wichtiger Teil unserer Identität. Wichtig ist, dass Politik nah am Menschen bleibt und Entscheidungen im Sinne der Subsidiarität dort trifft, wo es am sinnvollsten ist.
Moitzi: Manche Dinge können auch in Zukunft vor Ort besser entschieden werden. Dafür braucht es vor allem starke Gemeinden, die von der Müllabfuhr über die Wasserversorgung bis hin zu Kindergarten und Pflege öffentliche Dienstleistungen anbieten. Die Gemeinden müssen finanziell dringend gestärkt werden.

4) Moitzi: Seit der Ära Kreisky hat sich ja gezeigt hat, dass der Verzicht auf eine Vollbeschäftigungspolitik nur zu einem führt: dass neben Arbeitslosigkeit auch die Schulden steigen. Hunderttausende Arbeitslose heißen auch hunderttausende fehlende Steuerzahler, hunderttausende ungenutzte Fähigkeiten und Potenziale. Sich aus der Krise zu sparen, funktioniert nicht, man muss mit Investitionen und gerechten Steuern dagegenhalten.
El Habbassi: Schulden schaffen keine Arbeit. Arbeit entsteht durch Ideen, Unternehmergeist und Weiterentwicklung. Den Rahmen dafür können wir schaffen, indem wir in Forschung und Bildung investieren und unnötige Bürokratie und Belastungen für Unternehmer abbauen.

5) Moitzi: Es führt schon heute kein Weg an der Frauenquote vorbei: Dank der Quote bewegt sich etwas in all jenen Parteien, die diese haben, und im öffentlichen Dienst. Ohne sie bleibt die bestehende Männerquote, wie sie ist.
El Habbassi: Eine Quote löst keine Benachteiligung. Grundsätzlich soll es bei der Stellenvergabe um Qualifikation und nicht um Herkunft oder Geschlecht gehen.

6) El Habbassi: Ich halte nichts von Denkverboten. Pflichtmitgliedschaften garantieren eine starke Interessensvertretung, diese muss aber auch wirklich im Sinne der Mitglieder sein. Ich habe nicht den Eindruck, dass dies immer der Fall ist.
Moitzi: Die automatische Zugehörigkeit zu den Kammern ist sinnvoll. Wer die Arbeiterkammern infrage stellt, zielt auf die Schwächung der Arbeitnehmervertretung ab.

7) Moitzi: Die Ausbildungsgarantie ist ein Riesenfortschritt für Jugendliche und ein Vorbild in Europa. Sie muss weiter ausgebaut und von mutigen Schritten zur Vollbeschäftigung - von Arbeitszeitverkürzung bis zum Ausbau sozialer Dienste - begleitet werden. Andererseits wird Wohnen zusehend unleistbar. Und für die Unis sollte man endlich Geld in die Hand nehmen, statt ständig neue Zugangsbarrieren auszutüfteln.
El Habbassi: Bei der Integration wurde von Sebastian Kurz schon viel erreicht, von ihm profitieren speziell junge Menschen. Die aktuelle Reform der Wehrpflicht finde ich ebenfalls positiv, aber bei den Themen Schulden, Pensionen und Bildung gibt es noch einige Baustellen, die angegangen werden müssen. Was wir ganz besonders brauchen, unabhängig von Themen, ist ein neuer Stil in der Politik. Die Menschen haben die Nase voll von inszenierten Schimpftiraden im Parlament und Wahlzuckerln. Dafür brauchen wir ein stärkeres Parlament und den Willen, konstruktiv an guten Ideen zu arbeiten - auch wenn diese von anderen Parteien kommen.

8) Moitzi: Der aktuelle Umgang mit Zuwanderung ist schizophren. Wer in Österreich lebt, soll auch die Möglichkeit haben, seinen Lebensunterhalt legal zu verdienen und demokratisch mitzubestimmen. Statt Deutsch vor der Einreise wäre es höchste Zeit für ausreichend Deutschkurse.
El Habbassi: Unsere Zukunft wird von denen bestimmt, die Verantwortung übernehmen. In Österreich sollen sich alle Menschen einbringen, die Chance haben sich zu entwickeln und sich etwas aufzubauen - egal woher sie kommen.

9) El Habbassi: Ich bin persönlich beeindruckt von der Courage Snowdens. Asyl gewährt aber in Österreich das Gericht auf Basis eines ordentlichen Antrages - da darf es keine Sonderbehandlung geben.
Moitzi: Die Überwachungsstaats-Methoden der NSA sind skandalös. Snowden Asyl anzubieten wäre ein Gebot der Stunde.