Zum Hauptinhalt springen

Die große Suche nach Aussöhnung mit Taliban

Von WZ-Korrespondentin Agnes Tandler

Politik

Friedens-Jirga soll am Mittwoch in Kabul beginnen. | Kabul. Stapelweise werden Stühle herangeschafft in das große Zelt auf dem Gelände der Polytechnischen Universität von Kabul, die an Afghanistans sowjetische Epoche erinnert. Hier sollen auf Einladung des afghanischen Präsidenten Hamid Karzai um die 1300 Delegierte aus dem ganzen Land ab Mittwoch drei Tage lang über einen möglichen Frieden mit den radikal-islamischen Taliban beraten. Doch die Gerüchte wollen immer noch nicht verstummen, dass die Friedens-Jirga, wie diese Versammlung der Stammesälteste genannt wird, im letzten Moment abgeblasen wird.


Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 14 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.

Das Treffen ist auch bereits zweimal verschoben worden: Erst war die Versammlung für Ende April, dann für Ende Mai angesetzt. Über die Gründe, warum das Treffen so oft vertagt wurde, wird viel spekuliert.

Offizielle Stellen beharren darauf, dass es rein logistische Probleme waren, die die Jirga verzögerten, doch viele Beobachter glauben, dass es an einem Rahmen fehlt, wie der Krieg nach neun Jahren beendet werden kann und wie eine politische Neuordnung nach dem Abzug der Nato-Truppen vom Hindukusch aussehen könnte.

Drei Taliban-Fraktionen müssen mit ins Boot

"Es geht darum, einen Konsens zu finden, wie man mit dem Aufstand umgeht", sagt Mariam Safi, politische Analystin in Kabul. Eine Aussöhung mit den Taliban bedürfe aber eines Dialoges mit den drei wichtigsten Fraktionen der islamistischen Kämpfer. In der Tat sind die Taliban-Kämpfer in zahlreiche Gruppen aufgespalten. Die drei einflussreichsten Verbände sind die so genannte Quetta-Shura um Mullah Omar, das Haqqani-Netzwerk und die Gruppe um Gulbuddin Hekmatyar.

Mullah Omar, der frühere Chef des Taliban-Schreckensregimes in Afghanistan in den 90er Jahren, soll sich nach seiner Flucht aus Afghanistan 2001 im pakistanischen Quetta niedergelassen haben. Der einäugige Führer, der Al-Kaida-Chef Osama bin Laden über Jahre beherbergte, gilt als einer der meistgesuchten Männer der Welt.

Jalaluddin Haqqani, Führer des Haqqani-Netzwerkes, kämpfte wie Mullah Omar bereits in den 80er Jahren gegen die sowjetischen Truppen in Afghanistan. Er operiert im Moment aus Wasiristan, einem Teil des unwirtlichen Grenzgebiets zwischen Afghanistan und Pakistan. Haqqani, dem ebenfalls gute Verbindungen zur Al Kaida nachgesagt werden, soll das Selbstmordattentat als Kampfmethode in der Region salonfähig gemacht haben.

Die dritte Guerilla-Organisation um Afghanistans berüchtigten Kriegsfürst Gulbadin Hekmatyar ist eher lose mit den Taliban verbunden. Hekmatyar ist notorisch dafür berühmt, die Seiten nach Gusto zu wechseln. Man sagt ihm nach, er habe während der sowjetischen Besatzung Afghanistans mehr Zeit damit verbracht, andere Mudjaheddin zu bekämpfen als sowjetische Soldaten zu töten. Von den drei wichtigsten Gruppen der Taliban-Aufständischen ist Hekmatyars Truppe die kleinste. Hekmatyar verhandelt schon seit längerem mit der Regierung in Kabul über einen Friedensplan.

Friedens-Jirga wirdkeinen Erfolg bringen

"Wir werden Vertreter von Hekmatyar auf der Jirga sehen, aber er wird der einzige sein", sagt Analystin Safi. Karzai habe gehofft, alle drei Fraktionen zur Versammlung zu bringen. Das sei ihm nicht gelungen. Im Februar habe der pakistanische Geheimdienst ISI Mullah Baradar, die Nummer zwei nach Mullah Omar, gefangen genommen, weil er offenbar mit Afghanistans Regierung Gespräche führte. "Das war ein Rückschlag für Karzai", erklärt Safi. Damit sind die Erfolgsaussichten der Friedens-Jirga massiv gesunken. Monate des Dialoges wurden unterbrochen.

"Es gibt nicht genug Leute zum Reden auf der Jirga", meint auch Wadir Safi, Rechtswissenschafter von der Universität Kabul . "Die Taliban müssen teilnehmen, sonst funktioniert das nicht". Er erwarte daher wenig von der Versammlung. "Diese Jirga wird keine Formel hervorbringen, wie Afghanistan zu Frieden kommt." Das Treffen sehe mehr aus wie eine "Show-Jirga". Wenn man mit den Taliban über Frieden verhandeln wollte, müssten wichtige Führer des Aufstandes erst einmal von der internationalen Terror-Fahndungsliste gestrichen werden.