McKinsey & Co litten unter der Krise. | Ein Fünfkampf um 100 Millionen Euro. | Ratgeber sind auch ideale Sündenböcke. | Klaus Hölbling, Boss der Wiener Booz & Company GmbH, ist die rühmliche Ausnahme: Sein Consultingunternehmen hat im letzten Geschäftsjahr "das bisher beste Ergebnis in Österreich" geschafft. Dank einiger gewonnener Neuaufträge, etwa bei Voestalpine oder Telekom, ging die Krise spurlos an der Firma vorbei. Ein starker Auftritt in einer Phase, wo "große Unternehmen massiv auf die Kostenbremse stiegen und die Beraterhonorare viel stärker hinterfragt wurden als früher" (Hölbling).
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Die vier Mitbewerber von Booz & Comp., die ebenfalls führende Berater der österreichischen Topkonzerne sind, hatten indes wenig Grund zur Freude: Das Marktvolumen im obersten Segment - in guten Jahren rund 120 Millionen Euro schwer - brach nämlich im Vorjahr laut Robert Kremlicka, Geschäftsführer von A.T. Kearney Austria, um gut 30 Prozent ein: "Wir waren positiv, haben jedoch auf hohem Niveau gelitten." Heuer laufe es zwar "insgesamt freundlicher", dennoch werde der Gesamtumsatz der Big Five noch um mindestens zehn Prozent unter dem Jahr 2008 liegen.
Die Österreich-Stützpunkte der weltweit erfolgreichsten Consulting-Netzwerke, etwa McKinsey, Boston Consulting Group oder der deutsche Platzhirsch Roland Berger Strategy Consultants, wären gut beraten, die exorbitanten Zuwachsraten goldener Jahre zu vergessen. Zukunftsängste müssen sie freilich keine haben. Auch wenn der Kampf um lukrative Aufträge härter und der Preisdruck stärker wurde, werden sie in den alles andere als beratungsresistenten Vorstandsetagen großer Konzerne weiter willkommen sein. Für die etwa 200 wichtigsten Klienten - Industrieriesen, Banken und Versicherungen -, die zu ihrer bevorzugten Zielgruppe zählen, sind nämlich Sparmaßnahmen, Restrukturierungsprogramme oder Sanierungsmanagement mehr denn je ein Thema.
Die fünf Consultingfirmen, die sich längst als fast schon glamouröse Stars des heimischen Beratermarkts etablieren konnten (siehe Kasten), werden wie bisher im Hintergrund Fäden ziehen und ihre Klienten gnadenlos auf Effizienz, Shareholder Value und Performance-Optimierung trimmen. Denn auf diese Tour sparen sich General- und sonstige Direktoren die Mühe, selbst neue Strategien zu entwickeln, Personalabbaupläne zu präzisieren oder mit innovativen Konzepten aufzuwarten. Unangenehme oder unpopuläre Aufgaben werden gerne Consultern überlassen, auf die man letztlich auch die Verantwortung abschieben kann. Im Ernstfall eignen sich Berater nämlich hervorragend als Sündenböcke.
McKinsey und Bostonliegen an der Spitze
Die Headquarters der Wiener Consultants-Hochburgen sind in New York (McKinsey), Boston (BCG), Chicago (A.T. Kearney), London (Booz & Comp.) und München (Roland Berger) zu finden. Die weltweiten Netzwerke beschäftigen jeweils tausende Berater - McKinsey etwa einen Braintrust von 8300 Leuten, die mehr als 100 Nationalitäten angehören. Sie betreuen vorrangig Mega-Konzerne, stehen aber auch Regierungen, Ministerien und Institutionen der öffentlichen Hand zur Seite.
Booz & Company, früher Booz Allen Hamilton, hat 400 der "Fortune"-Top 500-Multis auf der Kundenliste stehen und ist in Deutschland bereits für drei von vier DAX-Konzernen im Einsatz gewesen.
Ihre fachliche Kompetenz dokumentieren die Top-Beratungsfirmen auch, indem sie stoßweise Reports, Analysen, Surveys und Benchmarking-Studien publizieren, wobei keine Branche und kein Thema zu kurz kommt: Die Auswirkungen der Finanzkrise auf die Energiewirtschaft werden in Buch- oder Broschürenform ebenso abgehandelt wie Führungsqualitäten in der Krise oder die Frage, wie das Internet die britische Wirtschaft verändert.
So wie McKinsey & Company, weltweit die Nummer eins, können auch die vier ambitionierten Mitbewerber auf einen Mix aus elitärem Image, globaler Präsenz und geballtem Know-how verweisen. Wodurch es fast den Anschein hat, als wäre die Klientel ohne Beistand der cleveren Beratungsgurus hoffnungslos aufgeschmissen.
Was weltweit zu funktionieren scheint - so lautet ein beliebtes Kalkül -, kann auch in Österreich nicht schiefgehen: Die Wiener Niederlassung von McKinsey, organisatorisch dem deutschen Büro zugeordnet und in das globale Network eingebettet, darf das Who-is-Who der rot-weiß-roten Wirtschaft zu ihren oft langjährigen Auftraggebern zählen.
Die "Mackies", deren lokaler Office Manager der 45-jährige Thomas Baumgartner ist, haben beispielsweise für die Telekom Austria ein Sparprogramm ausgetüftelt. Im Auftrag der Post befassten sie sich mit der Neueinteilung der Filialen und einer neuen Paket-Strategie. Auch bei den Unternehmen der B & C Industrieholding (Lenzing, Semperit, Porr etc.) haben sie kräftig umgerührt. Im Vorjahr beriet McKinsey, gemäß Eigendefinition "der Generalist unter den Beratern", die Wiener Städtische (Vienna Insurance Group) betreffend Einsparungen und Personalabbau. Für die Erste lieferte die Multi-Kulti-Firma Benchmarks für ein Sparprogramm, den Volksbanken stand sie in stürmischen Zeiten ebenfalls zur Seite, und auch bei der RZB/RI-Fusion hatte sie ihre Finger im Spiel.
Der Boston Consulting Group (Austria), einem der Haus- und Hofberater der Geldinstitute, ist ein Spitzenplatz im Alpenland ebenfalls sicher - obwohl alle Top-Consulter Umsatzzahlen wie Staatsgeheimnisse behandeln. Ihr Boss Christian Krammer, seit zwölf Jahren bei der Boston tätig, ist obendrein für die Büros in Budapest, Prag und Warschau zuständig. Er ist relativ selten in Wien anzutreffen, weil der Großteil seiner Arbeitszeit für Projekte im Ausland draufgeht. Auch seine Berater - in der Regel High Potentials frisch von der Uni - sind wie bei allen Networks üblich international tätig. Sie marschieren bei den Kunden in der Regel in globalen Projektteams auf, um den Anspruch auf ihre - bisweilen fragwürdige - Allwissenheit prestigeträchtig zu untermauern. A.T.-Kearney-Boss Kremlicka, der von jährlich 100 Job-Bewerbern nur zwei aufnimmt: "Wir leben stets mit hohen Flug- und Reisekosten - aber unsere Leute haben einen tollen Job und können rasch viel lernen."
Geplante Fusionist gescheitert
Die deutsche Ratgeberfabrik Roland Berger managt ebenfalls von Wien aus das Ostgeschäft (außer Russland und die Ukraine). Die seit 1989 in Österreich präsente Dependance kann von sich behaupten, bereits 70 Prozent der an Wiens Börse notierten ATX-Unternehmen betreut zu haben, etliche davon bei der Expansion in den CEE-Raum. Die Berger-Crew hatte etwa in einem von der ÖIAG in Auftrag gegebenen Gutachten bereits im Frühjahr 2006 darauf hingewiesen, dass die AUA "alleine nicht überlebensfähig sei und dringend einen Partner benötige". Die Staatsholding ließ das Papier allerdings prompt in der Schublade verschwinden, weil die Kernaussage nicht ins Konzept der handelnden Akteure gepasst hat.
Die Firma, die sich in Österreichs Beraterbranche unter den Top Drei sieht, gilt als Spezialist für Verkehr, Energie und die verarbeitende Industrie: Sie bastelte etwa für den Flughafen Wien ein strategisches Konzept und versorgte die ÖBB kürzlich mit einem Sanierungskonzept. "Krisenthemen", sagt der 37-jährige Rupert Petry, einer von vier Managing Partnern, "liegen uns als Marke."
Dass die angedachte Fusion mit dem US-Wirtschaftsprüfer-Riesen Deloitte geplatzt ist, stört ihn nicht: "Wir haben als Landesorganisation eine extrem starke Eigenverantwortung, und die Gruppe wird auch allein expandieren können."
Booz und A.T. Kearney: Einsam statt gemeinsam
Die beiden Mitbewerber, die in Österreich umsatzmäßig eine Nummer kleiner sind, haben sich auf einen Merger ebenfalls nicht eingelassen: Die Gespräche zwischen Booz & Company und A.T. Kearney wurden im Juli auf Grund unterschiedlicher Firmenkulturen abgebrochen. Eine Fusion hätte die Chance geboten, den Kostendruck der Kunden, denen die stolzen Consulter-Honorare zusehends gegen den Strich gehen, über eine stärkere Marktmacht besser zu verkraften.
Doch die beiden Kontrahenten versuchen es weiterhin im Alleingang: A.T.-Kearney-Chef Kremlicka konnte heuer schon einige Großaufträge an Land ziehen, und Booz-Boss Hölbling, der neuerdings als CFO für die Finanzen in Deutschland, Österreich und Schweiz verantwortlich ist, erwartet für heuer acht bis zehn Prozent plus bei den Honoraren.
Prestige schlägt Masse
Alle 9000 Unternehmensberater, die in Österreich tätig sind, setzten im Vorjahr insgesamt 2,6 Milliarden Euro um. Im ersten Halbjahr 2010 wuchsen die Umsätze sogar um mehr als zehn Prozent.
Auf den wichtigsten Tätigkeitsbereich - Unternehmensführung und Managementberatung - entfielen laut Analyse der KMU Forschung Austria etwa 29 Prozent, auf Organisation/Technik/Technologie/Logistik immerhin fast 25 Prozent. Rund vier Fünftel der Aufträge kommen aus der Wirtschaft, der Rest vom Staat.
Neben den fünf Top-Netzwerken McKinsey, Boston, Roland Berger, Booz & Comp. und A.T. Kearney, die sich primär um die rund 200 österreichischen Top-Kunden kümmern, mischen auch Spezialisten wie die Oliver Wyman Group (Banken), Capgemini, CSC und Accenture (alle IT) sowie die Wirtschaftsprüfer-Riesen KPMG und Deloitte Consulting mit. Weiters machen sich, mindestens eine Klasse darunter, diverse Ableger ausländischer Consultingfirmen wie Arthur D. Little, Mercer, Horvath & Partner, Steria Mummert oder Kienbaum bemerkbar.
Zu nennen sind auch etliche Mitbewerber österreichischer Provenienz, darunter Czipin Consulting oder Contrast. Sie beschäftigen jeweils mehr als 100 Mitarbeiter und kümmern sich hauptsächlich um mittelständische Betriebe. Schließlich gibt es eine große Zahl an regional oder lokal präsenten Beratern, die vielfach als One-Man-Shows agieren und zumeist kleinere Klienten betreuen.