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Die großen Herausforderungen stehen noch bevor

Von WZ-Korrespondentin Birgit Holzer

Politik

Die Flüchtlingsbewegungen in die OECD-Länder gehen insgesamt zurück - nun komme es aber besonders auf Jobs und gesellschaftliche Integration an, so die Organisation.


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Paris. Die Flüchtlingsströme in die Mitgliedsländer der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) haben im vergangenen Jahr ein Rekordniveau erreicht. Gezählt wurden rund fünf Millionen dauerhaft bleibende Neuankömmlinge gegenüber 4,7 Millionen im Jahr 2015. Die Zahl der neuen Asylanträge stieg wiederum auf 1,6 Millionen. Zwei Drittel dieser Anfragen gingen in den europäischen Ländern ein - am meisten in Deutschland, wo im vergangenen Jahr 720.000 Anträge gestellt wurden - das sind deutlich mehr als in den USA und Italien. Allerdings bleiben die USA weiterhin das Zielland Nummer eins für Einwanderer, während die Türkei drei Millionen Syrern zeitweisen Schutz gewährt.

Auch wenn seit dem Schließen der Balkanroute weniger Flüchtlinge über die Ostroute via Türkei und Griechenland Europa erreichen, hat die Zahl der Flüchtlingsboote auf dem Mittelmeer von Libyen nach Italien jüngst stark zugenommen. Italien ist die erste Anlaufstelle für Flüchtlinge in der EU. Seit Jahresbeginn erreichten rund 74.000 Migranten die italienischen Küsten, im Vergleich zum Vorjahr verzeichnet das Innenministerium in Rom einen Anstieg um knapp 15 Prozent.

Inzwischen scheint der Höhepunkt der jüngsten humanitären Krise zwar überstanden, wie die internationale Vereinigung, der 35 Industriestaaten und aufstrebende Schwellenländer angehören, in ihrem aktuellen Migrationsausblick schreibt, der gestern in Paris vorgestellt wurde. So erreichten in den ersten sechs Monaten dieses Jahres zwar immer noch 72.000 Hilfesuchende die europäischen Küsten - doch das sind rund ein Zwölftel weniger als in der zweiten Jahreshälfte 2015.

Den OECD-Experten zufolge herrschen allerdings noch große Defizite bei der Integration von Flüchtlingen, damit diese in ihrer neuen Heimat und auch auf dem Arbeitsmarkt ankommen. Es müssten "gleichzeitig die nationalen politischen Maßnahmen wie auch die internationale Zusammenarbeit überdacht werden". Nur so könne man Lösungen finden "gegenüber der negativen Wahrnehmung von Einwanderung, die oft ihre Wurzeln in einer mangelnden Kenntnis dessen haben, was Migranten ihren Adoptionsländern bringen können", sagte OECD-Generalsekretär Angel Gurría. Als positives Beispiel für ein verstärktes Integrationsprogramm nannte er Schweden. Nirgends war 2015 und 2016 der Anteil neuer Asylbewerber im Verhältnis zur Einwandererzahl größer als in dem skandinavischen Land: Er betrug 1,83 Prozent gegenüber 1,44 Prozent in Deutschland. Auch die Bundesrepublik gilt der OECD dank ihres Integrationsgesetzes als Vorbild für die meisten anderen Staaten.

Baustelle Familienzuwanderung

Ein besonderes Augenmerk setzten die Spezialisten in ihrem jüngsten Bericht auf die Familienzuwanderung, der die Regierungen in den Industriestaaten eine noch größere Aufmerksamkeit zukommen lassen sollten. Mehr als 1,6 Millionen Menschen, also gut 40 Prozent aller Einwanderer in die Länder der OECD, die 2015 eine Aufenthaltsgenehmigung erhielten, kamen aus familiären Gründen. "Tatsächlich muss aber immer abgewogen werden zwischen dem Recht auf ein Familienleben und der Garantie, dass es sich um echte Familienbande handelt und die Familie über ausreichende Mittel verfügt, um in einem neuen Land zu leben", heißt es. Auch die vorübergehende Einwanderung nahm zuletzt zu: Im Jahr 2014 wurden allein innerhalb der Europäischen Union 1,5 Millionen Arbeitnehmer von ihren Arbeitgebern im Rahmen lokaler Verträge in andere Staaten entsandt.