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Die größte Hervorbringung der urbanen Aperol-Spritz-Bohemiens

Von Christina Böck

Analysen

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Warum lassen sich die nicht einmal etwas Neues einfallen? Zum Beispiel in die Enzis integrierte Caffe-Latte-Schläuche? Das war der zugegeben nur mittelseriöse Wunsch einer Kollegin für die nächsten zehn Jahre Museumsquartier. Aber es ist eine durchaus symptomatische Aussage für das Areal, das heute seinen zehnten Geburtstag feiert. Die Caffe-Latte-Gesellschaft, die Aperol-Spritz-Bohemiens, sie waren es schließlich, die dem Museumsquartier zu seiner Erfolgsgeschichte verholfen haben.

Das Museumsquartier, dieses Mischwesen aus Freizeit- und Kulturbereich, ist nämlich Symbol für eine Entwicklung, die in den Nullerjahren ihren Ausgang genommen hat: Als es nämlich schick wurde, in Ausstellungen zu gehen, als es den Lifestyle bereichern konnte, dass man mit moderner Kunst oder schrägen Performances in losen Kontakt kam. Als Worte wie "urban" entdeckt wurden.

Und so gesehen ist das Museumsquartier eigentlich ganz und gar unwienerisch. So etwas würde man eher in einer Stadt wie Berlin erwarten. Tatsächlich ist es aber so, dass ausgerechnet Berlin, für viele der Inbegriff des urbanen Denkens derzeit, sich an Wien ein Beispiel nehmen soll: Eine Studie über die eher glücklose Berliner Museumsinsel gab kürzlich das Museumsquartier als Vorbild an dafür, wie man die Besucher ihrer Museen und anderen Kultureinrichtungen dazu bringt, länger zu bleiben. Und einen Lebensraum aus dem zu machen, was sonst nur ein unpersönliches Museenkonglomerat wäre.

Der Anteil der Besucher, die ins Museumsquartier kommen, um dort Kultur zu konsumieren und nicht nur Aperol Spritz, liegt bei 48 Prozent, sagt eine Umfrage, die die MQ-Betreiber jetzt zum Jubiläum veröffentlicht haben. Also etwa die Hälfte. Die andere lässt sich von der kulturellen Aura bestrahlen und profitiert - vorzugsweise am Enzi chillend - vom Image.

Das ist aber mehr als noch vor vier Jahren, da waren es nur 37 Prozent Kulturinteressierte. Das kann daran liegen, dass das Programm der Ausstellungshäuser breitenwirksamer geworden ist. Die meisten Besucher hat übrigens das Leopold Museum (360.000 im Jahr 2010), gefolgt vom Mumok mit 227.000 Gästen und der Kunsthalle mit 167.000. Oft war in den zehn Jahren die Rede davon, dass dem Museumsquartier ein gemeinsames Gesamtkonzept fehlt, dass jede Einrichtung stur ihr eigenes Süppchen kocht. Andererseits ist die Vielfalt vom Tanzquartier über den Kinderdschungel bis zum Architekturzentrum vielleicht gerade das unterschätzte Erfolgsrezept. Im kommenden Jahr kann man das überprüfen: Da konnte man sich erstmals auf ein gemeinsames Thema einigen. Es wird die Mode sein. Das ist nur passend, wo doch die Grenzen zwischen Mode und Kunst auch immer mehr verschwimmen.

Aber das heißt natürlich, für den integrierten Caffe-Latte-Schlauch stehen die Chancen eher schlecht.

analyse@wienerzeitung.at