Finanzminister Pröll: "Wir haben Lehren der vergangenen Wochen gezogen". | Europa stellt Haftungen in Höhe von 440 Milliarden Euro als Schutzschirm für hochverschuldete Länder zur Verfügung. | Zusätzlich bis zu 220 Milliarden Euro kommen vom Internationalen Währungsfonds. | EU-Kommission darf ebenfalls bis zu 60 Milliarden Euro für Budgethilfen aufnehmen. | Spanien und Portugal müssen dafür Defizite rascher und schärfer reduzieren. | Europäische Zentralbank folgt mit umfangreichen Stützungsmaßnahmen. | Europas Aufsichtsbehörden untersuchen Spekulationsgeschäfte gegen Euro-Staaten. | Es ist die größte finanzpolitische Rettungsaktion in der Geschichte, die an diesem Wochenende in Brüssel beschlossen wurde. Und sie wird so platziert, dass die in der Nacht auf Montag in Asien öffnenden Finanzmärkte gebührend beeindruckt wurden, der Euro stieg in Asien deutlich. | Europas Börsen starten fest
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In der Nacht auf Montag beschlossen die Finanzminister der Europäischen Union ein milliardenschweres Stützungsprogramm für den Euro, dem sich die Europäische Zentralbank und die Aufsichtsbehörden wohl anschließen. "Es ging um ein klares Signal der Eurogruppe", sagte Finanzminister Josef Pröll nach der Sitzung, "und wir haben uns auf die größte Rettungsaktion in der Geschichte geeinigt."
Es ging darum, die weltweit laufende, heftige Verkaufswelle gegen Euro-Papiere zu stoppen, die bedrohliche Ausmaße angenommen hatte. Nun wird ein immenser Schutzschirm aufgespannt, um die Finanzierung der Euroländer sicherzustellen.
Das Treffen war beeinträchtigt, weil Deutschlands Finanzminister Schäuble wegen einer Medikamenten-Unverträglichkeit ins Spital musste. Statt ihm wurde Innenminister Thomas de Maiziere eingeflogen.
Bei den kolportierten Zahlen - es geht um 720 Milliarden Euro - wird einem schwummrig, doch damit soll - wie Frankreichs Präsident Nicolas Sarkozy am Freitag sagte - Spekulanten der Wind aus den Segeln genommen werden. Dieser Betrag kommt zur 110-Milliarden-Hilfe für Griechenland noch dazu.
Die EU-Kommission wird für die Hilfe der Eurozone zirka 60 Milliarden Euro bereitstellen.
Für weitere 440 Milliarden Euro wird es Garantien der Euro-Staaten geben. "Diese Haftungen werden in einem Spezialvehikel gebündelt, das dann im Ernstfall Euroanleihen begibt, und diese den Ländern zur Verfügung stellt", erklärt Pröll. Die Idee dahinter: Hochverschuldete Euro-Länder, die nur noch kurzfristig und zu sehr hohen Zinsen Geld erhalten würden, bekommen über dieses Vehikel längeres und billigeres Geld. Die Finanzierungsgesellschaft wird in Luxemburg angesiedelt.
Auf Österreich entfallen dadurch zusätzliche Haftungen von zirka 13 Milliarden Euro. "Wir werden dafür ein Gesetz brauchen, und versuchen, dies so schnell wie möglich auf den Weg zu bringen", sagte Pröll, der im Lauf der Nacht auch mit Bundeskanzler Faymann telefonierte. Es ist anzunehmen, dass FPÖ und BZÖ dem nicht zustimmen werden.
Die 440 Milliarden Euro der Euroländer, dem sich übrigens Schweden anschließen dürfte, können vom Internationalen Währungsfonds um zirka die Hälfte, also 220 Milliarden, aufgestockt werden. Mit dem Chef des Internationalen Währungsfonds, Dominique Strauss-Kahn, wurde Sonntag abend ebenfalls telefoniert.
Die Finanzminister verständigten sich allerdings auch darauf, dass die Problemländer ihre Budgets schneller als bisher geplant in Ordnung bringen. Spanien und Portugal müssen bis 18. Mai ein neues Sanierungsprogramm vorlegen.
Und in Hinkunft dürften Länder, deren Schuldenstand 90 Prozent übersteigt, automatisch neue Budgetsanierungs-Programme vorlegen müssen, war schon am Sonntag Nachmittag aus EU-Kreisen zu hören.
EZB stützt den Kurs von Euro-Papieren
Diesem Programm wird die Europäische Zentralbank folgen. Den Banken wird eine erneute Liquiditäts-Spritze verpasst, damit sollen europäische Staatsanleihen gekauft werden. Das Programm wurde noch in der Nacht zum Montag, kurz nach der Einigung der Finanzminister, bekannt gegeben. Es war bereits tagsüber in Frankfurt beschlossen worden.
Banken würden unterstützt, um Fehlfunktionen am Anleihemarkt auszugleichen. Außerdem wird mit der US-Notenbank, sowie den Notebanken von Großbritannien, der Schweiz und Kanada, eine Dollar-Finanzierungslinie neu aufgelegt. Dies war nach Ausbruch der Finanzkrise bereits einmal der Fall, und erleichterte den Zwischenbankenhandel, der zusammengebrochen war. Dem Vernehmen nach fehlte derzeit nicht viel, und er wäre erneut eingefroren.
Zuletzt kamen die Banken stark unter Druck, weil sie natürlich in ihren Handelsbüchern, aber auch in den Investmentfonds solche Papiere haben. Der Kursverlust in den vergangenen Wochen würde dort zu Abschreibungen ebenfalls in dreistelliger Milliardenhöhe führen. Manche der Papiere sind als Sicherheit bei der EZB hinterlegt. Wenn ihr Kurs weiter sinkt, müsste die EZB von den Banken zusätzliche Sicherheiten einfordern. Das wollte die EZB nicht riskieren.
Pröll: "Spekulanten haben nur dort eine Chance, wo über seine Verhältnisse gelebt wird"
Der europaweit koordinierten Aktion haben sich auf die Aufsichtsbehörden angeschlossen. So haben sich die Aufsichtsbehörden darauf verständigt, dass die Spekulationsgeschäfte auf Staatspapieren in den vergangenen Wochen überprüft werden. In einer Aussendung der EU-Stelle für Wertpapier-Aufsichtsbehörden heißt es: "Wir werden unser Augenmerk darauf richten, ob es dabei zu möglichen Verstößen gegen Regeln oder zu Marktmissbrauch gekommen ist." Die Europäer arbeiten dabei eng mit den US-Aufsichtsbehörden zusammen.
Pröll: "Wir dürfen aber nicht vergessen, dass Spekulanten nur dort eine Chance haben, wo Länder ihre Hausaufgaben nicht erfüllen." Mittelfristig könnten manche Produkte verboten werden.
Alle diese Maßnahmen sollen dazu führen, dass die Finanzmärkte am Montag aufhören, gegen Anleihen und Wertpapiere im Euro zu spekulieren. Deren Wertverfall war zuletzt dramatisch, und hätte zu enormen Abschreibungen in den europäischen Banken und Fonds geführt. Daher die Ho-Ruck-Aktion übers Wochenende, der mit dem Eurogipfel am Freitag begann, und von den Finanzministern am Sonntag finalisiert wurde. Mit der größten Rettungsaktion aller Zeiten, die - gemeinsam mit den Maßnahmen der EZB - die 1000-Milliarden-Euro-Grenze übersteigen könnte.