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Die größte Solaranlage der Welt

Von Eckart Granitza

Wissen
Quarzazate: die imposante Anlage Noor I , entwickelt von Masen, der marokkanischen Agentur für Solarenergie.
© Masen

Marokko macht am Fuße des Hohen Atlas ein Projekt wahr, an dem Europa bisher scheiterte.


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Quarzazate/Berlin. 27 Grad und 9,5 Sonnenstunden im Jahresdurchschnitt - das ist das Klima von Ouarzazate im Süden Marokkos. Bislang war die Stadt mit ihren hübschen, braunrot verputzten Häusern vor allem als Kulisse für Filme wie "Die Päpstin" oder auch "Lawrence von Arabien" bekannt. Jetzt entsteht am Rande der Wüstenstadt der größte Solarkomplex der Welt - und das mit viel europäischer Fachkompetenz und Technik. Marokko setzt in Ouarzazate das um, woran europäische Unternehmen mit ihrer Wüstenstrominitiative Desertec Industrial noch vor kurzem gescheitert sind.

Desertec war und ist der Name für die Idee, einen Großteil Europas mit Solarstrom aus der Wüste zu versorgen. Doch nach jahrelangen Querelen zogen sich die meisten großen europäischen Stromversorger und Technologiefirmen aus dem Projekt zurück. Nun bauen die Marokkaner selbst den größten Solarkomplex der Welt. "Das ist ein Meilenstein für die Energieversorgung Marokkos, aber auch für die Solarbranche weltweit", sagt Thomas Schmitt, Ingenieur im schwäbischen Consulting Unternehmen Fichtner.

Traum vom Ökostrom

Schmitt überwacht die Umsetzung des Projekts für den Betreiber, die marokkanische Agentur für Solarenergie (Masen). "Wenn die Europäer sehen, wie zielstrebig und zügig die Marokkaner das Projekt umsetzten, kann der Traum vom Ökostrom aus der Wüste für Europa vielleicht doch wiederbelebt werden", sagt er. Denn eins ist unstrittig: In der nordafrikanischen Wüste ist die Strahlungsintensität der Sonne mit 2500 Kilowattstunden pro Quadratmeter etwa zweieinhalb Mal so hoch wie in Deutschland - je nach Region. Das macht den Strom natürlich auch vom Preis viel lukrativer.

Schon jetzt zeigt die Anlage ein imposantes Bild: Schier endlose Reihen von sieben Meter hohen Parabolspiegeln blinken in der Wüste. Sie gehören zum Solarkraftwerk Noor I - arabisch Licht -, das Ende 2015 erstmals Strom ins marokkanische Netz speisen wird. Das erste von drei geplanten Kraftwerken hat gewaltige Dimensionen: 160 Megawatt Leistung, 537.000 Parabolspiegel in 400 Reihen à 300 Metern Länge.

Geplant sind an dem Standort noch drei andere Kraftwerke. Noor II wird ebenso wie Noor I Elektrizität über Parabolrinnen-Technik erzeugen, Noor III wird ein Turmkraftwerk. Die Planungen sind fast abgeschlossen, die Ebenen für die neuen Bauprojekte werden schon planiert. Zudem wird noch der Bau von Noor IV, einem Photovoltaikkraftwerk mit 70 Megawatt Leistung, vorbereitet. In gut zwei Jahren soll der Gesamtkomplex mit einer Leistung von 580 Megawatt endgültig fertig sein.

"Bis zu 40 Grad und mehr wird es hier am Fuß der 4000 Meter aufragenden Berge des Hohen Atlas heiß", weiß Schmitt. Er berät die Marokkaner bei kniffligen technischen Problemen - etwa der Computersteuerung der Parabolspiegel, die das ganze Jahr über dem Lauf der Sonne folgen müssen, und der Kontrolle des synthetisches Öls, das auf bis zu 393 Grad erhitzt werden kann.

"Aber nicht die Temperatur ist entscheidend, sondern die Dauer und die Verlässlichkeit des Sonnenscheins", sagt der leitende marokkanische Ingenieur Rachid Bayed von Masen. "Das macht die große Effizienz unseres Kraftwerks hier aus."

Mit wenigen Ausnahmen brennt die Sonne in Ouarzazate auf rund 1500 Metern Meereshöhe fast 365 Tage im Jahr vom Himmel. Das Kraftwerk steht im Zentrum des riesigen Solarfeldes. Dort wird mit dem heißen Öl Wasser erhitzt und Dampf erzeugt. Dieser treibt eine gigantische, von Siemens konzipierte Turbine an, die den erzeugten Strom ins marokkanische Netz einspeist. "Und das nicht nur am Tag, sondern auch abends, wenn der Bedarf besonders hoch ist", weiß Bayed. Denn das Öl erhitzt bei Bedarf auch ein spezielles Salz - geliefert von der BASF -, das die Hitze bis zu sechs Stunden speichern kann.

Möglicher Exportschlager

Rund 2,2 Milliarden Euro soll das gesamte Vorhaben kosten. Ein zinsgünstiger Kredit von bisher schon 850 Millionen Euro kommt von der deutschen KfW Bankengruppe. Jan Schilling von der KfW erklärt: "Die KfW ist dabei, weil Noor zeigt, wie eine Energiewende unter Ausnutzung von Strom aus der Wüste funktionieren kann. Die Marokkaner stellen hier womöglich ein Geschäftsmodell auf die Beine, das in Zukunft zum lukrativen Exportschlager werden könnte." Schließlich hat sich Europa verpflichtet, in den nächsten Jahren immer mehr Strom aus erneuerbaren Energien zu produzieren.

Den Marokkanern geht es aber zuerst um ihre eigene Energieversorgung. Energieträger wie Öl, Gas und Kohle muss der Staat teuer importieren.