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Die größten Gefahren lauern im Spital

Von Eva Stanzl

Wissen

Gespräch mit dem Infektionsexperten Wolfgang Graninger. |
§§"Wiener Zeitung": Welche sind derzeit die gefährlichsten Infektionskrankheiten? * | Wolfgang Graninger: In Österreich ist man allgemein der Ansicht, es gibt keine gefährlichen Infektionskrankheiten mehr. Aber allein bei der Mexiko-Grippe (Schweinegrippe) gab es Menschen mit Lungenversagen, die nur aufgrund von künstlicher Beatmung überlebten.


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Generell machen uns aber nicht so sehr Infektionen außerhalb als innerhalb des Spitals zu schaffen. Problemkeime in Europa sind Staphylococcus aureus, der die schwerste Form der Lungenentzündung auslösen kann, und Escherichia coli, der im Darm vorkommt.

Wie kriegt man die Keime?

Sie werden zum Beispiel operiert und verbringen dann zwei Tage auf der Intensivstation. Und dort werden Sie dann richtig krank. Österreich liegt, was die Ausbreitung dieser Keime in Spitälern betrifft, mit zehn Prozent im europäischen Mittelfeld. Damit sind wir besser dran als etwa Großbritannien, wo man sogar ein Spital für sechs Monate zusperren musste, um es zu desinfizieren.

Ist das auch gefährlich für Menschen, die nicht ins Spital müssen?

Multiresistente Staphylococcen sind aus den Spitälern in die Gemeinschaft ausgebrochen. Sie können Erkrankungen bis zu einer nekrotisierenden (Zellen tötenden) Lungenentzündung hervorrufen, das ist die stärkste Form der  Lungenentzündung. Zwar treten solche Fälle selten auf, aber da die Bakterien sehr resistent sind, breiten sie sich sehr schnell aus.

Wie kann man sich davor schützen?

Indem man zu Hause bleibt und sich einsperrt und buchstäblich wie bei akutem Grippealarm durch ein Guckloch in die Welt schaut.

Wie sinnvoll sind Impfungen?

Staphylococcen sind Bakterien, und Impfungen gibt es nur gegen Viren. Aber bei der Schweinegrippe sind wir sitzengeblieben auf den Impfungen - dabei waren alle, die daran gestorben sind, nicht geimpft. Natürlich ist man am besten geschützt, wenn man schon einmal eine Infektionskrankheit ohne Impfung durchgestanden hat und wieder gesund geworden ist - deswegen sterben ja alte Menschen nicht an der Grippe, denn sie haben ein immunologisches Gedächtnis aufgebaut. Aber wenn man bedenkt, dass wir mit einer Pocken-Impfung die Pocken ausgerottet haben, ebenso die Diphterie und dass es früher in unseren Breitengraden Tetanus gab wie Sand am Meer, wird schon deutlich, wie sinnvoll Impfungen sind.

Droht eine neue Tuberkulose-Epidemie?

Noch nicht. Aber die Möglichkeit ist da. Multiresistente Tuberkulose (MDR) kommt aus Asien, vor allem aus Indien und China, aber auch aus Osteuropa. Ärzte behandeln die Patienten heute mit einer Viererkombination von Medikamenten, um die Bakterien von vier Seiten her zu erschlagen. Je ärmer der MDR-Erkrankte ist, desto größer die Wahrscheinlichkeit, dass er die Medikamente mit all seinen Familienmitgliedern teilt, die die Krankheit auch schon haben. Jeder nimmt dann nur einen Wirkstoff - wodurch es nicht funktioniert. Menschen, die die MDR-Keime in sich tragen, kommen nach Mitteleuropa, und der Multiplikationsfaktor ist enorm.

Wolfgang Graninger ist Professor an der Medizinischen Universität Wien und Leiter der klinischen Abteilung für Infektionen und Tropenmedizin im AKH Wien.