Am Fuße des Wilhelminenbergs sollen 150 neue Wohnungen gebaut werden. Die Anrainer protestieren dagegen.
Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 7 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.
Wien. Christian-André Weinberger kommt aus dem Schwärmen nicht heraus. Der Blick auf das Schloss Wilhelminenberg. Die herbstliche Kastanienallee, daneben der Ottakringer Friedhof. Das alte Gemäuer der Hochquellwasserleitung. Und schließlich der alte "Bockkeller", in dem bereits vor mehr als 100 Jahren Wienerlieder gesungen wurden. "Das hier ist die grüne Lunge Wiens. Ein Naherholungsgebiet für alle, nicht nur für uns ‚G’stopfte am Berg‘, wie es manchmal heißt. Und das soll ruiniert werden."
"Ruiniert" bedeutet in diesem Fall: verbaut. Auf einer 16.300 Quadratmeter großen Fläche zwischen der Gallitzinstraße, der Erdbrustgasse und der Hofzinsergasse soll ein mehrstöckiger Wohnblock entstehen. Da die Gründe von der ehemaligen Friedhofsgärtnerei nicht mehr genutzt werden, sind sie nun offiziell Stadtentwicklungsgebiet. Bevor dort allerdings Wohnungen gebaut werden können, muss die Fläche von landwirtschaftlichem Gebiet in Bauland umgewidmet werden. Zwar ist auf Anfrage laut der Servicestelle Stadtentwicklung der MA 21 momentan kein Widmungsverfahren im Gang, Neuigkeiten würde man "rechtzeitig kommunizieren". In Bezug auf die Einbindung der Bürger erhält man lediglich einen Hinweis auf eine Informationsveranstaltung am 10. Oktober 2016 zu der Entwicklung des Gebiets, bei der bereits die Rede von einer Umwidmung der betreffenden Fläche zu Bauland war.
Keine Einbindung der Bürger
Seit dieser Informationsveranstaltung ist es ruhig geworden um das Projekt, trotz drei Bürgerinitiativen, die sich mittlerweile unter dem Namen "Pro Wilhelminenberg 2030" zusammengeschlossen haben. Für die Petition, die sie dagegen einreichen wollen, haben sie bereits mehr als 1500 Unterschriften gesammelt. 500 davon müssen als gültig bestätigt werden, damit das Anliegen im Petitionsausschuss behandelt wird - derzeit stehen sie bei 414.
Als Sprecher der Initiative übt Christian-André Weinberger Kritik an der Stadt aufgrund der fehlenden Einbindung der Bürger - obwohl doch ständig die Rede von Bürgerbeteiligung bei solchen Projekten sei. Die Bezirksvertretung verspricht lediglich, dass "nach Vorliegen konkreter Planungen weitere Informationsangebote an die umliegenden Bewohnerinnen und Bewohner erfolgen werden". Über die Kommunikation mit der Bürgerinitiative gibt es keine Auskunft, aus dem Büro von der zuständigen Planungsstadträtin Maria Vassilakou kommt auf eine Anfrage keine Reaktion.
Wien wächst
"Nachfragen werden nur marginal beantwortet, zu der bisher einzigen Informationsveranstaltung vor einem Jahr wurden Teile der direkten Anrainer angeblich vergessen einzuladen. Viele Menschen haben von dem Vorhaben aus der Zeitung erfahren und sind jetzt verärgert." Denn die Projektentwicklungsgesellschaften für das Planungsgebiet von den Bauträgern wurden bereits im Herbst 2015 im Firmenbuchregister und im Grundbuch eingetragen. Mittlerweile sollen auch schon Pläne gezeichnet und Vormerklisten geführt werden.
Dass die Bevölkerung Wiens stetig wächst, ist dagegen kein Geheimnis. Bis 2025 werden 120.000 neue Wohnungen benötigt. Entsprechend dem Stadtentwicklungsplan STEP 2025 soll ein Anteil des Wohnraumbedarfs auch durch die Weiterentwicklung der "Bestandsstadt" erfolgen, wozu die Nutzung betrieblicher Brachflächen zählt. Wird verdichtet statt erweitert, spart man sich neue Infrastruktur. Doch wie soll das umgesetzt werden, wenn niemand die Baustelle ausgerechnet vor seiner Haustür haben möchte?
Weinberger lässt dieses Argument nicht gelten: In Ottakring und auch am Wilhelminenberg sei in den vergangenen Jahren ständig gebaut worden. Er plädiert dafür, zuerst einmal alles auszureizen, was nicht erst umgewidmet werden muss. "Immer ist die Rede davon, Grünflächen zu erhalten, vor allem im Sommer, wenn es in der Stadt immer heißer wird. Bevor also Grünflächen bebaut werden, sollten zuerst Alternativen genützt werden."
Zu den 150 Wohnungen käme außerdem auch eine entsprechende Anzahl an Pkw hinzu, die die laut der Petition ohnehin bereits schwierige Verkehrslage am Wilhelminenberg zusätzlich belasten würden. Die Stadt hingegen weist auf ein Verkehrsgutachten hin, das aufgrund der guten öffentlichen Anbindung und wenig Zusatzverkehr kein Problem sieht.
Redimensionierung
Neben der als fehlend empfundenen Einbindung der Bürger ist es vor allem die Größe des Bauvorhabens, über die die Anrainer verärgert sind. Nach den Berechnungen der Bürgerinitiative, ausgehend von der Zahl der Wohnungen, müsste es sich bei dem geplanten Gebäude um Bauklasse III mit bis zu 16 Metern Gebäudehöhe handeln. Im Gegensatz zu der Ablehnung einer Umwidmung in der Petition spricht Weinberger von dem Wunsch nach Redimensionierung auf Bauklasse II und damit 50 bis 60 Wohnungen.
Auch was die Verkehrslage am Wilhelminenberg betrifft, würde "Pro Wilhelminenberg 2030" gerne mit der Stadt zusammenarbeiten - zum Beispiel bei der nächsten Bezirksvertretungsbesprechung, morgen Donnerstag, wo dem Bezirksvorsteher symbolisch die Unterschriftenlisten überreicht werden sollen.
Dass sich die Bezirksparteien mit Ausnahme der SPÖ und der Grünen auf die Seite der Bürgerinitiative stellen, freut deren Mitglieder zwar, gleichzeitig betonen sie aber, überparteilich bleiben zu wollen. Für sie wäre die Zusammenarbeit wichtig. Ganz besonders im Hinblick auf umweltverträgliche und smarte Lösungen für Verkehr und Wohnraum.