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Nach Hermann Schützenhöfers Aufstieg zum Landeshauptmann verliert die SPÖ mit der Steiermark ein weiteres Bundesland.
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Graz. SPÖ und ÖVP werden in der Steiermark weiterhin gemeinsam regieren. Ein erneuter rot-blauer "Tabubruch" wie im Burgenland blieb aus. Der nun ehemalige Vize Hermann Schützenhöfer (ÖVP) wird aber den Landeshauptmann für die nächsten fünf Jahre stellten. Franz Voves (SPÖ) trat am Mittwoch zurück und brachte seinen Vertrauensmann und Mittdreißiger Michael Schickhofer als Vize in Stellung.
Die ÖVP ging in den Regierungsverhandlungen aufs Ganze und forderte die vollen fünf Jahre für den Landeshauptmann ein, heißt es. Und sie bekam sie. Wohl auch, weil sich Schützenhöfer eine Koalition im Vorfeld offen hielt und die SPÖ in die Opposition verbannen hätte können. Die neue Regierung wird wahrscheinlich nächste Woche Dienstag im Landtag gewählt.
Voves hatte vor der Wahl angekündigt, zurückzutreten, sollte seine Partei unter die 30-Prozent-Marke fallen. Die SPÖ erreichte bei der Landtagswahl 29,29 Prozent (minus 8,97 Prozentpunkte). Mit den Worten: "Es war eine große Auszeichnung", verabschiedete sich der einstige Eishockeyspieler nun vom steirischen Politeis.
Am Wahlabend klang das noch anders: "Nun ist staatstragendes Verhalten bei einem solchen Ergebnis unbedingt erforderlich", sagte Voves. Ob es nun 0,7 oder 0,8 Prozent unter 30 Prozent seien, sei letzten Endes nicht entscheidend. Die Entscheidung liege bei den Parteigremien. Die "Reformpartnerschaft" solle ihre Fortsetzung finden. Tatsächlich arbeitete Voves in den letzten zehn Tagen an einer Neuausrichtung der steirischen Sozialdemokraten. Ersetzen wird Voves sein eigener Ziehsohn in der Partei, Michael Schickhofer, der mit einem neuen Team antritt (mehr dazu auf Seite 10). "Ich habe sehr wohl gewusst, dass ich diese meine Ansage einhalten werde. Ich habe die Vorsitzfunktion in der SPÖ zurückgelegt", sagte Voves. Die Anzeichen auf seinen Rücktritt verdichteten sich bereits im Vorfeld, auch in der SPÖ-Basis. "Meine Enkerln werden nun mehr von mir haben", sagte Voves.
Die Volkspartei hingegen befand sich während der Regierungsverhandlungen in einer guten Position. Hatten sich Teile der steirischen Schwarzen inklusive Schützenhöfer doch dafür ausgesprochen, "den Spielraum" zu verbreiten und Gespräche mit den Freiheitlichen zu führen. Voves lehnte Rot-Blau strikt ab. Einziger Verhandlungspartner blieb Schützenhöfers ÖVP. Letztlich ist die Mark nach zehn Jahren wieder schwarz. Trotz schlechtestem Wahlergebnis der steirischen ÖVP-Geschichte (28,45 Prozent) und dem zweiten Platz mit minus neun Prozentpunkten. Einige SPÖ-Mitglieder sind äußerst unzufrieden über das Nachgeben gegenüber der ÖVP bei den Verhandlungen. Die Volkspartei stellt nun in sechs Bundesländern den Landeshauptmann. Nur noch in Wien, dem Burgenland und in Kärnten führen die Sozialdemokraten die Geschicke des Bundeslandes, die ein ÖVP-Pendant dringend nötig haben.
Dennoch: "Wir haben eine Niederlage erlitten und wollen daraus lernen", sagte Schützenhöfer über die Reformpartnerschaft. "Die Freiheitlichen haben Dinge benannt, die uns alle angehen". Die Themen Asyl, Sozialmissbrauch stehen nun auf dem Plan. "Die Menschen sollen sehen, dass wir ihre Anliegen ernst nehmen." Tatsächlich liegt der Anteil von Asylwerbern an der steirischen Bevölkerung nur bei 0,4 Prozent. Der Zuwandereranteil ist mit acht Prozent österreichweit der drittniedrigste.
Der angesprochene Wahlsieger FPÖ schaute bei den Regierungsverhandlungen letztlich durch die Finger. Der bisher wenig in Erscheinung getretene Spitzenkandidat Mario Kunasek hielt "eine Ausgrenzung der FPÖ und des einzigen Wahlsiegers für untragbar". Zu keiner Zeit wurden mit den Freiheitlichen seitens der "Reformpartnerschaft" ernsthafte Koalitionsgespräche geführt. "Die Drohgebärde Schwarz-Blau von Schützenhöfer wäre mir neu", sagte er. "Mit Voves und Schützenhöfer gab es keine inhaltlichen Gespräche, sondern nur ein Kennenlernen." Der geplante Pakt mit der ÖVP wäre eine Falschinformation, die die Partei für sich genutzt hätte. "Für den Machterhalt", sagt Kunasek.
"Es ist nicht ratsam, in einer solchen Zeit der Umbrüche die Mehrheitspartei von der Regierung auszuschließen", erklärte Schützenhöfer die nicht gezogene Option mit der FPÖ. Man werde die anderen Parteien im Landtag nun stärker in den parlamentarischen Prozess mit einbinden. Die Hand bleibe gegenüber der FPÖ ausgestreckt. Aber: "Mit wem als mit der SPÖ ist es möglich, den zweiten Teil anzupacken", fragte Schützenhöfer in der Grazer Burg. Die fast schon triefende Harmonie von Voves und Schützenhöfer hatte österreichweit Beachtung gefunden und war eine Chance, den Irrsinn des politischen Wadlbeißens hinter sich und Vernunft in die Politik einkehren zu lassen. Nun treiben sie dieses Projekt weiter an. Laut Voves war die Reformpartnerschaft immer schon auf zehn Jahre ausgelegt.
Das steirische Wahlvolk hat in den letzten Jahren Reformen erlebt, die ihr Leben betreffen. Die Ausgaben für Soziales wurden gedeckelt, kleinräumige Einrichtungen geschlossen. Eingespart wurde auch im öffentlichen Dienst und in der Politik. Nicht zuletzt wurden die Anzahl der Gemeinden auf 286 halbiert. Ein überfälliger Schritt, der nicht ohne Murren passierte. 70 Bürgermeister aus Kleinstgemeinden wehrten sich gegen ihre Abschaffung. Vor allem ÖVP-Gemeinden waren betroffen. Aus Protest sollen die Bürgermeister bei der Landtagswahl nicht gelaufen sein und verloren großflächig an die FPÖ.
Aber es waren nicht die Partnerschaft oder das von der FPÖ lokal propagierte Asylthema, das SPÖ und ÖVP gemeinsam fast 20 Prozentpunkte kostete. Laut Meinungsforschern waren es bundespolitische Themen wie die Rekord-Arbeitslosigkeit, die Wirtschaftskrise, die Teuerung oder das Hickhack zwischen Bund, Ländern und Gemeinden um die Flüchtlingsunterbringung. Es waren Zukunfts- und Abstiegsängste, die Vertrauen kosteten. Darauf braucht es Antworten. "Wir packen’s jetzt an, Michael", sagte Schützenhöfer abschließend; mit Verweis auf die nächste Hälfte der Reformpartnerschaft.