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Die Grünen verlassen die Insel

Von WZ-Korrespondent Gabriel Rath

Europaarchiv

Kleinpartei will aber noch Budget für 2011 mittragen. | Dublin soll im Jänner neu wählen. | Dublin. Irlands wackelige Regierung überlebte den Antrag auf EU-Hilfe nur um wenige Stunden: Am Montag kündigte die kleinere Partei, die Grünen, ihren Rückzug aus der Regierung an und forderte Neuwahlen. Diese sollten im Jänner 2011 erfolgen. | Analyse: Nur ein Tabubruch kann die Krise beenden | Da warens nur noch zwei: Sorgenkinder Spanien und Portugal | EU-Hilfe beruhigt Märkte noch nicht


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Die Bevölkerung brauche "politische Sicherheit", hieß es als Begründung. Die Grünen betonten aber, zunächst noch das Sparpaket und den Haushalt 2011 auf den Weg bringen zu wollen - alles andere "würde gegen unsere Fürsorgepflicht verstoßen." Ohne die sechs Grün-Abgeordneten könnte die konservative Partei Fianna Fáil von Ministerpräsident Brian Cowen den Sparhaushalt am 7. Dezember nicht durchs Parlament bringen.

Damit endet eine Konstellation, die so etwas wie eine Jamaika-Koalition auf irisch sein sollte: Die konservative Fianna Fail wollte mit den Liberalen und den Grünen regieren. Doch die Liberalen gibt es schon lange nicht mehr. Und die Grünen wurden von Krise zu politischem Feinstaub zerrieben.

Dabei standen am Anfang der Zusammenarbeit biblische Assoziationen: Als die Grünen, die jüngste Partei des Landes, nach der Wahl 2007 eine Koalition ausgerechnet mit den Supermachos der konservativ-nationalistischen Fianna Fáil eingingen, erinnerte sich mancher im katholischen Irland an den Bibelvers: "Da wohnt der Wolf beim Lamm" (Jesaja 11, 1-10). Doch himmlischer Friede war der Regierung von Anfang nicht vergönnt.

Zunächst löste sich der vermeintliche Dritte im Bunde, die liberalen Progressive Democrats, noch vor Amtsantritt auf.

Dann trat im Mai 2008 überraschend jener Mann zurück, der die Grünen in die Regierung geholt hatte: Taioseach Bertie Ahern, irischer Ministerpräsident seit 1997, warf angesichts heftiger Korruptionsvorwürfe das Handtuch. Das erschien wie eine Überreaktion: Schließlich wusste jeder um das von Fianna Fáil geschaffene Herrschaftssystem des Filzes, das in den letzten 20 Jahren keiner so wie Ahern beherrschte und an dessen Futtertröge alle wollten, auch die Grünen. Ahern bewies bemerkenswerte Weitsicht: Vier Monate nach seinem Rücktritt brach die Wirtschaft zusammen. Die aus den USA kommende Krisenwelle erfasste in Europa kein Land so früh, schwer und nachhaltig wie Irland. Die Grünen, geführt von Dan Boyle und John Gormley, fügten sich ins Unvermeidliche und trugen den Regierungskurs mit. Nicht wesentlich anders verhielten sich die Oppositionsparteien Fine Gael und die Labour Party.

Grünen verloren ihre Glaubwürdigkeit

Die Grünen stellten mit Gromley als Ressortchef für Umwelt und Eamon Ryan für Energie, Kommunikation und Naturvorräte zwei Minister im Kabinett, das seit 2008 Brian Cowen führt. Auf die dramatische Verschlechterung der Wirtschaft reagierte die Bevölkerung mit Verbitterung. Die Grünen wurden in diesen Abwärtssog mitgerissen: Bei den Gemeinderatswahlen 2009 verlor die Partei alle Sitze in ihrer Hochburg Dublin und kam landesweit auf nur 2,3 Prozent der Stimmen. Nach jüngsten Umfragen von Sonntag liegt sie bei drei Prozent; noch hinter den enttäuschenden 4,8 Prozent von 2007.

Fianna Fáil, seit den 30er Jahren Irlands dominierende Partei, käme noch auf 17 Prozent. Die beiden großen Oppositionsparteien wären somit deutlich stärker als die Regierungsparteien zusammen, Fine Gael mit 33 und Labour mit 27 Prozent.

Durch das Abnicken des Budgets 2009 und den Verzicht auf eine versprochene ökologische Energiesteuer hatten die Grünen viel an Glaubwürdigkeit verloren.

Insbesondere Gromley verstand es aber immer besser, die knappen Mehrheitsverhältnisse der Regierung im Parlament für sich zu nutzen. Im 2009 verlangten die Grünen eine Neuverhandlung des Regierungspaktes und verhinderten Studiengebühren. In der Debatte um die "Bad Bank" zur Rettung des Finanzsektors erreichten sie eine Garantie für private Hypothekarkredite. Beides erwies sich mittlerweile als unfinanzierbar.

Die Grünen setzten aber auch ein Raumplanungsgesetz durch, das den Fianna Fáil-Freunden aus der Baulobby, die einst die ganze Insel zubetonieren wollten, Einhalt gebietet. Und ohne die Grünen hätte Irland auch kein Gesetz über zivile Partnerschaften.

"Man kann sich kaum zwei Parteien vorstellen, die unterschiedlicher sind", so ein Grün-Politiker über die Zusammenarbeit: "Freunde sind wir nicht und werden wir auch nie." Die Regierung hätte es auch ohne den Rückzug zerrissen: Nach drei Nachwahlen wäre die dünne Mehrheit wohl verloren und Neuwahlen fällig gewesen.

Wissen: Dublins Sparkurs

(hes/ag) Statt im Dezember wird die Regierung in Dublin nun schon am Dienstag oder Mittwoch ihren 160 Seiten umfassenden Sanierungsplan vorlegen. Binnen vier Jahren sollen 15 Milliarden Euro, knapp 10 Prozent der jährlichen Wirtschaftsleistung, eingespart werden. So soll das Defizit, das heuer wegen der Bankenkrise auf 32 Prozent explodiert ist, bis 2014 unter die EU-Grenze von drei Prozent sinken.

Bisher sind nur wenige Details des Sparpaketes bekannt. Gerüchten zufolge soll dieses eine Immobiliensteuer bringen. Der ungezügelte Bauboom war Auslöser der tiefen Krise. Einschnitte dürfte es bei Sozialleistungen wie Kindergeld und Arbeitslosenhilfe geben. Besserverdiener müssten künftig auf Steuervorteile verzichten.

Als Zankapfel zwischen der EU und den Iren gilt die Unternehmenssteuer: Diese beträgt in Irland seit 1997 nur 12,5 Prozent, der tiefste Wert in der EU und OECD. Für die Insel ist diese ein klarer Standortvorteil und "nicht verhandelbar", wie Vize-Ministerpräsidentin Mary Coughlan sagte. Die Kommission macht dennoch weiter Druck: "Es ist wahrscheinlich, dass Irland kein Niedrigsteuerland mehr sein wird", sagte ein Sprecher von EU-Währungskommissar Olli Rehn.