Indem er einen Gesinnungs-Check für Neu-Österreicher fordert, entpuppt sich Peter Pilz als Geistesverwandter des türkischen Möchtegern-Sultans Erdogan.
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Einen höchst bemerkenswerten Blick auf sein eigenes Demokratieverständnis und die Mentalität seiner Gesinnungsgemeinschaft gewährte uns dieser Tage der Grüne Nationalratsabgeordnete Peter Pilz, einer der prominentesten Politiker der stark nach einer Regierungsbeteiligung lechzenden Partei.
Vor der Verleihung der Staatsbürgerschaft an Menschen aus der Türkei, so wurde Herr Pilz im "Standard" zitiert, möge künftig "sehr genau angesehen" werden, ob der potenzielle Neu-Österreicher sich bisher politisch für die Partei des türkischen Premiers Erdogan engagiert habe. Bei der Entscheidung über die Verleihung der Staatsbürgerschaft, so Pilz, sei das zu "berücksichtigen".
Pilz will also, dass die Gewährung des begehrten österreichischen Passes - unter anderem - von den politischen Überzeugungen des Passwerbers abhängig gemacht sein soll: Man kann die behutsame, aber völlig eindeutige Formulierung des Grünen nicht anders deuten. Eine demokratiepolitisch heitere Ansicht, die Pilz da vertritt. Man mag Erdogan durchaus als Erscheinung mit eher unguten Ansichten empfinden - aber jemandem die Staatsbürgerschaft zu verweigern, weil er wie mehr als 50 Prozent der Türken Erdogan anhängt, ist ungefähr so demokratisch wie Erdogans robuster Umgang mit seinen Gegnern. Pilz erweist sich da, seltsam genug, durchaus als Geistesverwandter des Möchtegern-Sultans in Ankara.
Sollte sich Pilz mit seiner Forderung nach einem Gesinnungs-Check für Migranten im Zuge einer grünen Regierungsbeteiligung durchsetzen, ergäben sich daraus ein paar weitere interessante Fragen. Wenn Erdogan-Fans eher nicht eingebürgert werden sollen, wie verfahren wir dann mit einem Berlusconi-Fan, der Österreicher werden will, einem Anhänger Christoph Blochers in der Schweiz oder gar einem Tea-Party-Aktivisten aus den USA? Welche Gesinnungskommission wird da den Daumen heben oder senken? Und wie wird mit staatsbürgerschaftsheischenden Objekten zu verfahren sein, die nicht an den Klimawandel glauben wollen, Atomkraft nützlich finden oder gar Vespa-Fahrer sind (was nämlich die deutschen Grünen grad verbieten wollen)?
Mit seinem kruden Vorschlag, den man sich so eher von Herrn Strache oder Herrn Mölzer erwartet hätte, belegt Pilz leider einen immer klarer zu Tage tretenden Befund: Die Grünen verkommen mehr und mehr zu einem antiliberalen Projekt. Ihre politische Ratio besteht zunehmend daraus, irgendetwas verbieten, regulieren, kontrollieren oder sonst wie der autonomen Disposition der Bürger zu entziehen. Ihr Menschenbild geht offenbar nicht von einem mündigen Bürger aus, der sich in seine eigenen Angelegenheiten einmischt, sondern von einem Betreuungsfall, der von seinen menschenfreundlichen politischen Vormündern sanft, aber energisch in Richtung seines Lebensglücks geschubst werden muss.
Das ist insofern bedauerlich, als sich die Grünen zuletzt durch einen völligen Mangel an Korruption angenehm von den Mitbewerbern abgehoben haben. Ein neues antiliberales Projekt freilich braucht diese ohnehin habituell antiliberale und obrigkeitshörige Republik eher nicht.
ortner@wienerzeitung.at