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Die gute alte Zeit der Atomwaffen

Von David Ignatius

Analysen
Der Autor war Chefredakteur der "International Herald Tribune". Seine Kolumne erscheint auch in der "Washington Post".

In der Kriegsführung bricht ein neues Zeitalter an: Sicherheitsexperten warnen vor E-Killern und New-Age-Waffen.


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Die Münchner Sicherheitskonferenz ist immer ein Gruselkabinett, aber beim bedrohlichsten Thema heuer ging es nicht um die Terrormiliz Islamischer Staat (IS), sondern um eine neue Generation von Waffen: Killerroboter zum Beispiel und in böser Absicht programmierte "smarte" Vorrichtungen. Wir stehen am Beginn einer neuen Ära der Kriegsführung, so die Prämisse, in der - bis zu einem gewissen Grad - alle Kriege Cyberkriege sein werden. Die neuen Waffen werden die radikalen Fortschritte bei Hardware, Software und Biologie in sich vereinen.

Espen Barth Eide, früherer norwegischer Außenminister, sprach von GPS-geführten Waffen mit Gesichtserkennungstechnologie und künstlicher Intelligenz, die man wie einen elektronischen Killer programmieren kann. Und Kenneth Roth, Chef von Human Rights Watch, wies auf die Vorteile dieser Killerroboter für Militärstrategen hin: Sie werden nicht müde, bekommen keine Angst und ihr Urteilsvermögen ist - gnadenlos - unbeirrbar.

"Der Geist wird nicht in der Flasche bleiben", kündigte der frühere Nato-Kommandeur James Stavridis an: Verglichen mit Landminen und Atombomben werden die neuen Hightech-Waffen weniger giftig, aber präziser sein. Im kommenden "Internet der Dinge" soll es bald mehr als 30 Milliarden Smart-Chips in Autos, in Aufzügen, Kühlschränken, Thermostaten und medizinischen Geräten geben. Diese vernetzten Systeme sind nicht sehr sicher und können leicht zur Beute von Hackern werden.

Die große Sorge der Zukunft wird aber nicht der Schutz der Privatsphäre sein, sondern die Datensicherheit. "Jemand kann meine Blutgruppe kennen, aber sie nicht ändern", erklärte ein Technologieexperte. Hacker werden jedoch imstande sein, Daten der Finanzmärkte, des Gesundheitswesens und der elektronischen Netze zu verändern und die wirtschaftlichen und sozialen Aktivitäten zu lähmen.

Bei seinem Gefahrenbericht vor dem US-Kongress kam James Clapper, Chef des nationalen Geheimdienstes, vorige Woche auch auf den Missbrauch des Internets der Dinge zu sprechen. Er warnte, wenn künstliche Intelligenz in Waffen eingebaut werde, mache das diese "anfällig für eine Reihe von zerstörerischen und betrügerischen Taktiken, die schwer vorauszusehen und nicht sofort zu erkennen sind".

Die iranische Nachrichtenagentur Press TV hat Clappers Bericht als Drohung aufgefasst, dass die USA die Kühlschränke der Welt zu Agenten des Großen Satans machen wollen: "Der Chef des US-Geheimdienstes hat zum ersten Mal zugegeben, dass die US-Geheimdienste eine neue Generation smarter Haushaltsgeräte benutzen könnten, um ihre Überwachungsmöglichkeiten zu erweitern." Dass die USA, Russland und China diese New-Age-Waffen nutzen könnten, ist besorgniserregend. Noch beunruhigender ist die Möglichkeit, dass Terrorgruppierungen Cyber- und anderes Hightechwissen einsetzen könnten. Der IS hat bereits chemische Waffen zum Einsatz gebracht und arbeitet mit Drohnen. Der nächste Schritt könnten Biowaffen sein. "Eines Tages könnten wir auf die gute alte Zeit zurückblicken, als wir uns nur über Atomwaffen Sorgen machen mussten", sagte Eide. Das klingt wie ein Witz. Aber nur, bis man sich vergegenwärtigt, was auf uns zukommt.

Übersetzung: Hilde Weiss