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Die gute Alternative: Eine gemeinsame Schule der Vielfalt

Von Matthias Strolz

Gastkommentare
Matthias Strolz ist Klubobmann der Neos.

Es kommt Bewegung in den Stellungskampf zur Gesamtschule. Trotzdem bleibt die bildungspolitische Auseinandersetzung eine Themenverfehlung.


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Und sie bewegen sich doch: die Schützengräben, in denen sich Sozialdemokratie und Volkspartei in den vergangenen Jahrzehnten rund um das Thema "Gesamtschule: ja/nein" verschanzt haben, werden vorsichtig und zögerlich verlassen. Gleich fünf ÖVP-Länder scheren aus und fordern die Einführung flächendeckender Gesamtschul-Modelle. Bei aller Freude über diese Schritte weg vom reinen Ideologiestreit hin zu tatsächlichen Reformversuchen stellt sich die Frage, ob so das Bildungssystem wirklich revolutioniert und die Talente unserer Kinder gehoben werden können.

Wohl kaum.

Rote Einheitsschule versus schwarze Schubladendenke: Die beiden Kontrahenten haben sich so stark in ihr jeweiliges Feindbild verbissen, dass sie es verabsäumt haben, ihr eigenes Modell weiterzuentwickeln. Weder "one size fits all" noch "Die Guten ins Töpfchen, die Schlechten ins Kröpfchen" helfen unseren Kindern, ihre Potenziale zu entfalten. Gesellschaft und Bildungswissenschaft sind heute viel weiter, als sich SPÖ und ÖVP in ihrem Getöse um die Gesamtschule vorstellen können. Heute geht es um ein Mehr an Individualität und Freiheit, um Vernetzung und Kommunikation. Weniger die Struktur des Schulsystems ist ausschlaggebend, vielmehr sind die handelnden Personen der entscheidende Faktor für den Bildungserfolg: Es geht also um die Elementarpädagoginnen und -pädagogen und die Lehrerinnen und Lehrer - die Profis im Bildungswesen.

Schicken wir also die ermatteten Stellungskrieger der Gesamtschule und die Grabenkämpfer der bipolaren Pseudo-Differenzierung nach Hause. Beschreiten wir neue Wege zwischen "Einheitsbrei" und "Töpfchen/Kröpfchen": Wege, die darauf abzielen, Innovationen "von unten" freizusetzen. Wege, die den Schulen und verantwortlichen Pädagogen mehr Verantwortung und Freiraum zur Entfaltung geben - frei von Parteipolitik und Bevormundung. Schaffen wir eine gemeinsame Schule der Vielfalt. Sorgen wir für eine dreifache Autonomie der Schulen: pädagogisch, finanziell und personell.

Um die Ergebnisqualität und die Anschlussfähigkeit zu gewährleisten, muss die Vielfalt an pädagogischen Konzepten ein gemeinsames Ziel haben: eine "Mittlere Reife" mit 15. Die Wege dorthin sollen von den Schulen frei bestimmt werden. Die Finanzierung soll an die Kinder beziehungsweise Jugendlichen gekoppelt werden: ein fixer Betrag pro Schüler/Schülerin an die Schule, egal ob in öffentlicher, kirchlicher oder freier Trägerschaft. Plus finanzielle Anreize für geografische Peripherielagen und für gute soziale Durchmischung. Und schließlich wichtig für die freie, selbstverantwortliche Mittelschule: eine umfassende Personalautonomie. Die Direktoren sollen ihre Lehrer, Lerncoaches und andere Fachleute frei auswählen können - und ungeeignete Personen ersetzen dürfen. Dazu müssen wir natürlich auch die Funktion der Schulleiter neu gestalten. Wir können morgen diese Reise beginnen. In kleinen und großen Schritten. Bildung braucht Bewegung - in jeder Hinsicht.