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Die "Haltet den Dieb!"-Solidarität

Von Lothar Höbelt

Gastkommentare

Es ist augenblicklich viel die Rede von den "intolerablen Studienbedingungen" an den österreichischen Universitäten - und zweifellos: Wer von einer Vorlesung zur nächsten vom Austria Center zum Campus wechseln muss, weil die Universität das Auditorium Maximum für politische Veranstaltungen zum Nulltarif untervermietet, hat auch Grund zur Unzufriedenheit. Aber so wars ja eigentlich nicht gemeint.


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Verständlich, dass die Universitäten mehr Geld haben wollen - wer will das nicht? In vulgär-keynesianischer Interpretation gilt das Geldausgeben in der Krise ja nahezu als Allheilmittel. Originell ist da allenfalls noch Herrn Felbers Vorschlag (Gastkommentar in der "Wiener Zeitung" vom 4. November) , die Finanzierungsfrage statt dem gewählten Nationalrat einem Bildungskonvent in der Tradition des Rätesystems zu übertragen - und das dann auch noch für demokratisch zu halten.

Sobald sie mehr Studenten betreut, hätte die Universität natürlich auch mehr Geld - wenn nicht eine rot-grün-blaue Zufallsmehrheit die Studiengebühren so gestaltet hätte, dass die Administration fast schon mehr kostet, als sie einbringt. Apropos Administration: Interessant wäre überhaupt ein Vergleich zwischen dem Prozentsatz ihres Personals und ihrer Ressourcen, den die altmodische "Ordinarien"-Universität anno 1968 für die Verwaltung aufwendete - und dem Anteil im modernen "schlanken" Management von heute!

Die Studenten, die sich mit dem Chaos der schönen neuen Uni-Welt herumschlagen müssen, sind in der Tat nicht zu beneiden. Dennoch ist es ein Hohn, wenn sie von genau den "Studentenvertretern" (und nostalgischen Alt-68ern im Lehrkörper) zu Protestaktionen aufgefordert werden, die jahrelang alle Studienpläne mitbeschlossen und verkompliziert haben, weil jeder noch rasch sein Lieblingsprojekt darin verankern wollte. Da "solidarisieren" sich jene mit dem Ruf nach "selbstbestimmtem Studium", die noch den letzten Gender-Kurs zur Pflichtveranstaltung erklärt haben wollten; da fordert Widerständigkeit, wer eben noch eilfertig alle Verrücktheiten des Bologna-Prozesses geschluckt hat, um die eigenen Institutsinteressen zu wahren.

Dabei hat man sich sehenden Auges ein Kostüm geschneidert, das zu groß und zu kostspielig ist - und zugleich wider jede ökonomische Vernunft den "freien Hochschulzugang" gefordert. Denn das eigentliche soziale Auslesekriterium stellen eben nicht die Studiengebühren dar - die so teuer sind wie zwei Sprachkurse an der Volkshochschule -, sondern der Wohnungsmarkt für alle, die während des Studiums nicht zu Hause wohnen können, sprich: die ländliche Bevölkerung.

Vielleicht wäre etwas mehr kritischer Geist bei der Ausarbeitung der geltenden Vorschriften durchaus am Platz gewesen. Jetzt dafür die Studenten auf die Straße zu schicken, ist allzu billig (und dennoch kostspielig).

Lothar Höbelt ist Historiker an der Uni Wien und Publizist.

Obenstehender Gastkommentar gibt ausschließlich die Meinung des betreffenden Autors wieder und muss sich nicht zwangsläufig mit jener der Redaktion der "Wiener Zeitung" decken.