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Die Häme der FPÖ für Vertriebene

Von Ingrid Thurner

Gastkommentare

Die suggerierte Gleichsetzung von Asyl und Asylbetrug ist menschenverachtend und kriminalisiert alle Vertriebenen und Fliehenden.


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Die FPÖ wünschte sich in einem Inserat in der Zeitung "heute" ein Ende des "Asylbetrugs", bezeichnete "alle Unterstützer" als "Beitragstäter" und forderte "Zwangsernährung, Schubhaft und Abschiebung" für die Flüchtlinge in der Wiener Votivkirche. Wir wünschen den Verantwortlichen der FPÖ und ihren Wählern, dass sie nie aus ihrer Heimat gejagt werden, ihre Familien verlassen, Hab und Gut aufgeben und dann durch die Welt irren müssen und in ein Land kommen, in dem sie so empfangen werden.

Die suggerierte Gleichsetzung von Asyl und Asylbetrug ist menschenverachtend und kriminalisiert alle Vertriebenen und Fliehenden. Jene, die in der Votivkirche bei Eiseskälte ausharren, bis vor kurzem im Hungerstreik, tun dies, weil sie außer dem blanken Leben nichts mehr zu verlieren haben. Die Häme, die sich im Inserat über sie ergießt, zeigt die "soziale Heimat" der FPÖ: Man tritt auf die, die auf dem Boden liegen, macht auch noch Werbung damit und schlägt daraus Kapital für die nächste Wahl.

Wie ist so etwas rechtlich und moralisch möglich in einem Land, das sich der Demokratie, den Menschenrechten verpflichtet hat? Eine solche Menschenverachtung hat es schon einmal gegeben, und sie ist niemandem gut bekommen. Wenn es schon kein Verständnis für jene gibt, die um Hilfe ansuchen, dann wäre die Frage zu stellen, wer in einem Staat leben möchte, der schon den schwächsten Mitgliedern der Gesellschaft - und ja, Flüchtlinge sind auch und immer ein Teil der Gesellschaft - keine Hilfe geben will. Welche Unterstützung können sich die Wähler von so einer Partei erhoffen, sollten sich ihre eigenen Lebensbedingungen verschlechtern und sie einmal keine Arbeit mehr finden oder krank werden? Kann man darauf bauen, dass sie sich, wenn die eigene Basis in eine Notlage geriete, sozialer, menschlicher und gerechter verhielte?

Dass im FPÖ-Inserat auch noch "alle Unterstützer" als "Beitragstäter" zu Ehren kommen, zollt immerhin jenen die verdiente Anerkennung, die seit Wochen das nackte Überleben vor und in der Kirche organisieren, ehrenamtlich, von Spenden abhängig, bei klirrender Kälte, allen gesellschaftlichen und politischen Widerständen zum Trotz.

Dabei sind ihre Forderungen bescheiden: Sie wollen arbeiten dürfen. Sie wollen nicht in abgeschiedenen Exklaven vom Rest der Gesellschaft abgesondert gehalten werden, sondern ihren Aufenthaltsort frei wählen dürfen. Und der allerletzte Wunsch, die Befreiung aus den Fängen der Behörden: Wie verzweifelt muss ein Mensch sein, der nur noch darum bittet, man möge ihn aus den Datensystemen entfernen, seine Identität löschen und in die Illegalität entlassen?

Österreich hatte einmal eine Tradition der Gastfreundschaft. Es gab Jahre, da wurden zehntausende Flüchtlinge aufgenommen, und das war eine Selbstverständlichkeit. Nach der Niederschlagung des Volksaufstands in Ungarn und der Niederwalzung des Prager Frühlings war Österreich für viele Flüchtige nicht nur Durchgangsland, sondern Endstation. Wie wenige sind es nun, die in der Votivkirche kampieren? 1956 und 1968 sind lange her.