Der Ausbau der Palliativ- und Hospizversorgung wurde beschlossen - könnte aber an der Drittelfinanzierung scheitern.
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Er wurde von Anfang an mitdiskutiert und war ein wesentlicher Punkt während des Prozesses zum Sterbeverfügungsgesetz: der Ausbau der Palliativ- und Hospizversorgung. Das Angebot soll österreichweit, bedarfsgerecht, wohnortnah und flächendeckend aus- und aufgebaut werden, heißt es in den Erläuterungen zum Gesetz. Dafür soll auch der laufende Betrieb des abgestuften Versorgungsangebotes finanziell unterstützt werden. Denn der assistierte Suizid solle nicht der erste Ausweg, sondern der letzte aus schwerer Krankheit oder unerträglichen Schmerzen sein, so die Idee dahinter. Das Sterbeverfügungsgesetz, mit dem davon Betroffene eine Sterbeverfügung errichten können, trat mit 1. Jänner 2022 in Kraft - am selben Tag, als auch das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofs, das die Strafbarkeit der Mitwirkung am Suizid aufhob, schlagend wurde. Und damit zu einem Zeitpunkt, zu dem die flächendeckende Palliativ- und Hospizversorgung erst zur Hälfte umgesetzt war und nach wie vor ist.
"Ein Jahrhundertgesetz"
Nun, etwa acht Wochen später, hat der Nationalrat in der Vorwoche das Gesetz beschlossen, mit dem ein Hospiz- und Palliativfonds geschaffen wird. Beinahe einstimmig: Nur die Neos waren dagegen, weil sie keine langfristige Verbesserung des Systems orten, wie es hieß. Gesundheitsminister Wolfgang Mückstein (Grüne) sieht indes damit den Ausbau der Hospiz- und Palliativversorgung gesichert, die ÖVP sprach sogar von einem "Jahrhundertgesetz".
Über den Fonds wird die Finanzierung jener Palliativkonsiliardienste, mobilen Palliativ- und Hospizteams, Palliativstationen, stationären Hospize und Tageshospize von Kindern und Erwachsenen geregelt, die außerhalb der Spitäler passieren. Vorgesehen ist eine Drittelfinanzierung durch Bund, Länder und Sozialversicherungsträger.
Die Gelder sind zweckgebunden, und der im Sozialministerium eingerichtete Fonds soll von 2022 bis 2024 mit 108 Millionen Euro dotiert sein. 2022 gibt es vom Bund 21 Millionen Euro, 2023 dann 36 Millionen und 2024 51 Millionen Euro. Schöpfen Länder und Sozialversicherungsträger die vollen Mittel aus, stünden damit zum Beispiel 2024 insgesamt 153 Millionen Euro zur Verfügung. Aktuell gibt es seitens des Bundes 6 Millionen Euro pro Jahr, inklusive Land- und Gemeindemittel also 18 Millionen Euro.
Vielfalt an Zuständigkeiten
Diese Form der Finanzierung - die Drittelfinanzierung - birgt aber bereits das Hauptproblem, durch das der Ausbau laut Dietmar Weixler, Präsident der Österreichischen Palliativgesellschaft, weiterhin viel zu langsam und nur stockend vorangehen könnte. Dieses sei, dass die Palliativ- und Hospizversorgung nicht regelfinanziert ist. Dabei kreist alles um die Kernfrage: Ist der Patient ein Sozialfall oder chronisch krank und somit im Kompetenzbereich der Sozialversicherungen? Vor allem das Hospiz leidet unter der Vielfalt an Zuständigkeiten. Die Palliativmedizin ist meist eng an die Spitäler und somit die Sozialversicherungen geknüpft. Hospiz wird von Landes- und übergeordneten Organisationen wie Caritas oder Rotes Kreuz angeboten. Die Zuständigkeit ist somit nicht eindeutig zwischen dem Gesundheits- und Sozialbereich und den Sozialversicherungen abgestimmt.
Weixler sei daher nach wie vor "sehr skeptisch", wie er sagt. Das Thema sei 20 Jahre lang verschleppt worden. Bereits seit 2002 sei ein solides Netz für Hospiz- und Palliativversorgung versprochen. 2005 wurde der erste Lehrstuhl für Palliativmedizin an der MedUni Wien eingerichtet, kurz darauf startete der Unilehrgang Palliative Care. Die Hospiz- und Palliativversorgung wurde erst 2010 im österreichischen Strukturplan Gesundheit umfassend definiert. "Ob die Qualitätskriterien auch überall eingehalten werden, wird aber nicht überprüft", sagt Weixler.
Die Regelfinanzierung, sollte sie in Abstimmung mit Ländern und Sozialversicherungsträgern klappen, sei daher freilich begrüßenswert, und auch der Dachverband Hospiz Österreich zeigte sich über diese erfreut - sie sei "aber noch lange nicht genug", sagt Weixler. Aktuell gebe es in Vorarlberg keinen einzigen Palliativkonsiliardienst und in Tirol, Kärnten und dem Burgenland kein einziges stationäres Hospiz. In Wien gebe es eines. Oder anders gerechnet: Bei den 90.054 Menschen, die laut Statistik Austria im Vorjahr in Österreich starben, gab es laut Weixler nur rund 4.400 palliativmedizinisch ausgebildete Personen.
Wer darf was?
Das führe unweigerlich dazu, "dass ein Palliativpatient bis zu drei Wochen warten muss, bis Hilfe kommt", meint die Ethikerin Susanne Kummer, Geschäftsführerin des Instituts für Medizinische Anthropologie und Bioethik. "Da ist es dann vielleicht schon zu spät." Oder, dass seine Palliativbetreuung nach 28 Tagen nicht verlängert wird. Damit würden Menschen in existenziellen Krisensituationen und mit ihren Schmerzen strukturell alleingelassen und nur noch wollen, dass es vorbei ist.
Aber auch, was Grundfragen zum assistierten Suizid in Einrichtungen der Palliativ- und Hospizbetreuung betrifft, gebe es noch viele Unklarheiten, sagt Weixler. Klar ist lediglich, dass nach Vorlage einer wirksamen Sterbeverfügung jede öffentliche Apotheke "an die sterbewillige oder eine in der Sterbeverfügung namentlich genannte Hilfe leistende Person" das tödliche Präparat abgeben darf, das der Sterbewillige selbst einnehmen muss. Natrium-Pentobarbital etwa, das im Gesetz genannt wird, wird im Wasser aufgelöst getrunken. Dürfen aber zum Beispiel Mitarbeiter dieses zubereiten? Dürfen sie eine Magensonde oder einen Venenweg legen? Dürfen sie überhaupt in den Räumlichkeiten der Institution personellen Beistand leisten? Das Gesetz regelt das nicht. Es wird laut Weixler mit dem jeweiligen Dienstgeber zu klären sein.