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Die härteste Lobby des Landes

Von Christian Ortner

Gastkommentare
Christian Ortner.

Mieter werden die Steuerreform wohl finanzieren müssen, Bauern eher nicht. Was ist daran gerecht?


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Wenn den österreichischen Hoteliers, wie derzeit gerade der Fall, umständehalber die russischen Gäste und deren Platin-Kreditkarten ausbleiben, dann müssen sie halt versuchen, andere Kunden zu finden. Blöd gelaufen, aber so ist das in der Marktwirtschaft eben.

Wenn hingegen den österreichischen Bauern aus den nämliche Gründen Russland als Markt - eh nur ein einziges schlappes Prozent unserer Agrar-Exporte - abhanden kommt, dann stand für die Lobby der Landwirte in den vergangenen Monaten sofort fest: Für diesen Schaden muss die öffentliche Hand blechen. Es gibt vermutlich keine Lobby in diesem Land - vielleicht noch mit Ausnahme der Lehrer -, die dermaßen durchsetzungsstark ist wie jene der Bauern, und das trotz ihrer stetig abnehmenden Zahl. Man kann das den Bauern fairerweise nicht vorwerfen, es ist ja ihr gutes Recht, ihre Interessen zu vertreten - wohl aber jenen in der Politik, die bäuerliche Forderungen nach Barem oft schon erfüllen, bevor diese ausgesprochen sind.

Das wird sich vermutlich auch bei der kommenden Steuerreform, wenn sie denn kommt, wieder einmal zeigen. Fast sicher ist schon jetzt, dass die Grundsteuern signifikant angehoben werden - freilich nur, solange es sich dabei nicht um agrarisch genutzte Scholle handelt. Denn die Wahrscheinlichkeit, dass auch bäuerliche Latifundien substanziell höher belastet werden, ist ungefähr null. So umfallen, dass bei den Bauern genauso kassiert wird wie bei allen andern, das schafft nicht einmal die ÖVP.

Damit werden als Folge einer derartigen Anhebung der Grundsteuer die Millionen (oft sozial eher schwächeren) Mieter von Wohnungen höhere Mieten zahlen müssen, weil die Vermieter diese zusätzlichen Kosten natürlich weiterreichen werden, während die steuerlich ohnehin schon stark privilegierten Landwirte mehr oder weniger ungeschoren davonkommen dürften. Mit "Gerechtigkeit", gleich ob in christlich-bürgerlicher oder sozialdemokratischer Lesart, hat das so wenig zu tun wie ein Raiffeisen-Lagerhaus mit dem Taj Mahal.

Wenn sie stärker belastet würden, wenden die Vertreter der Bauern dagegen regelmäßig ein, müssten noch mehr bäuerliche Betriebe mangels ausreichender Erträge aufgeben. Das stimmt wohl bis zu einem gewissen Grade, trifft aber genauso auf zahllose andere Branchen zu, die freilich im Normalfall nicht wie die Bauern zwei Drittel ihres Einkommens aus Subventionen beziehen, die letztlich vom Steuerzahler erarbeitet werden müssen. Auch Textilfabriken, Glasbläsereien oder Buchdruckereien haben in den vergangenen Jahrzehnten dichtmachen müssen, weil sie nicht mehr profitabel geführt werden konnten.

Man nennt das üblicherweise herzlos "Strukturwandel", einen für die davon Betroffenen höchst schmerzhaften, für das Gedeihen einer Volkswirtschaft aber überlebensnotwendigen Prozess. Dass die Bauern von der Allgemeinheit vor diesem kalten Wind der Veränderung bisher viel besser beschützt worden sind als die meisten anderen Berufsgruppen, mag zu Zeiten allgemeiner Prosperität bei Nachsicht aller Taxen noch akzeptabel gewesen sein. Doch diese Zeiten sind leider bis auf weiteres vorbei. Eine Politik, die bestimmte Gruppen - und dazu gehören nicht nur die Bauern - davon ausnimmt, die Lasten mitzutragen, wird dafür mit zunehmend weniger Verständnis rechnen dürfen. Und das mit gutem Grunde.