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"Die hatten keinen Einblick"

Von Clemens Neuhold

Politik

Eurofighter-Hersteller EADS hat nun Gesandten in Wien - der "Wiener Zeitung" gibt er sein erstes Interview.


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Wien. Die wohl verlässlichste Eigenschaft der heimischen Abfangjäger: Sie landen sicher in den Schlagzeilen. In den nächsten Tagen sorgt Wirtschaftsminister Reinhold Mitterlehner dafür. Der hat die berühmten "Gegengeschäfte" noch einmal unter die Lupe genommen und präsentiert in Kürze die Ergebnisse.

Zur Erinnerung: Im Rahmen des Kaufs von 18 (später 15) Eurofightern im Jahr 2002 verpflichtete sich der Hersteller und Weltkonzern EADS, österreichische Betriebe mit internationalen Firmen ins Geschäft zu bringen. Vereinbartes Volumen der Gegengeschäfte: 3,5 Milliarden Euro. Später tauchte im Rahmen von Ermittlungen der Verdacht auf, Gegengeschäfte könnten als Tarnung für Schmiergeldzahlungen missbraucht worden sein. Die Staatsanwaltschaft ermittelt. Außerdem distanzierten sich Frank Stronach und Hannes Androsch von Gegengeschäften, obwohl ihre Firmen entsprechende Verträge unterzeichnet hatten. Mit Wolf-Peter Denker geht nun EADS in die Info-Offensive.

"Wiener Zeitung": Wie viel Zeit verbringen Sie in Wien?Wolf-Peter Denker: Ein bis zwei Tage die Woche.

Man sieht und hört wenig von Ihnen. Was machen Sie überhaupt?

Ich bin ein Neuling und muss mir Kontakte erst suchen. Diese Woche halte ich einen Vortrag.

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Die Prüfung der Gegengeschäfte steht vor dem Abschluss. Werden Sie da viel zu erklären haben?Das ist eine eigenständige Untersuchung des Wirtschaftsministeriums. Wir haben unsere Kooperation angeboten und sind mit den offiziellen Stellen in Kontakt.

Ist das Volumen der Gegengeschäfte von 3,5 Milliarden Euro Ihrer Einschätzung nach erreicht?

Ja. Das bestätigen die Einreichungen. Bis 2010 halten wir bei 3,2 Milliarden Euro, da sind Gegengeschäfte von 2011 und 2012 noch nicht enthalten. Wenn man das übliche Volumen von 200 bis 300 Millionen pro Jahr unterstellt, ist das Volumen ausgeschöpft.

Es könnten Gegengeschäfte durch die Prüfung wieder rausfallen.

Das kann ich nicht ausschließen. Aber die Gegengeschäfte sind vom Wirtschaftsministerium geprüft und von der Wirtschaftsprüfungskanzlei KPMG bestätigt worden. Wenn jetzt noch Fragen auftauchen, würde es mich überraschen. Aber: You never know.

Was, wenn es unterschiedliche Auffassungen zwischen EADS und dem Ministerium gibt?

Das werden wir dann sehen. Vertraglich und rechtlich wird das jedenfalls sehr schwer, zu sagen, ein Gegengeschäft war nicht gerechtfertigt. Wenn ich daran denke, wie viel Prüfstufen durchlaufen wurden, tue ich mir schwer, zu glauben, dass da vieles falsch gewesen sein könnte.

Rechnen Sie mit einer baldigen Unterschrift unter den Vertrag über die Gegengeschäfte?

Ich sehe gute Chancen bis Ende des Jahres.

Besonders umstritten sind die Gegengeschäfte mit Magna und FACC. Die ehemaligen Leitfiguren Frank Stronach und Hannes Androsch bestreiten Gegengeschäfte. Haben Sie eine Erklärung dafür?

Ich interpretiere das so, dass die beiden Herren weit weg vom operativen Geschäft waren und keinen Einblick in die Prozeduren hatten. Ich habe ein Interview von Frank Stronach in der ZIB 2 zum Thema gesehen. Er und der Interviewer haben völlig aneinander vorbeigeredet.

Stronach sagte, er habe nichts mit Eurofighter zu tun gehabt. Das stimmt, wenn man es auf Eurofighter beschränkt. Es ging um die Anrechnung von Geschäften zwischen Magna und anderen Unternehmen aus dem EADS-Konzern - im Rahmen des Eurofighter-Kaufs.

Warum hatte EADS es nötig, die aus heutiger Sicht völlig dubiose britische Briefkastenfirma Vector und den italienischen Eigentümer Gianfranco Lande mit den Gegengeschäften zu betrauen?

Wir sind nur im Luft- und Raumfahrtsektor tätig. Bei den Gegengeschäften ging es um die gesamte Bandbreite - von Holz über Life Science, Biotechnologie bis zu Flugzeugteilen. Es ist international üblich, dafür Vermittler einzuschalten. Unsere Partnerfirma Alenia hatte Geschäftsbeziehungen mit Lande und empfahl uns seine Dienste. Dann haben wir einen internen Prüfprozess eingeleitet und sind zu der Vereinbarung über die Abwicklung der Gegengeschäfte - mit Gründung von Vector Aerospace in London - gekommen.

Welche Österreich-Expertise hat Herr Lande mitgebracht?

Der war im Geschäft mit Alenia. Dort gab es Leute, die er eingeschaltet hat, Experten wie den Herrn Schön und andere Österreicher. Im Laufe der Zeit hat sich eine Expertise entwickelt.

Warum haben große Austro-Firmen zu Protokoll gegeben, sie hätten direkt mit EADS oder dem EADS-Miteigentümer Daimler zu tun gehabt und nicht mit Vector?

Das kann sein. Da muss man sich die einzelnen Fälle ansehen.

Wie kam EADS auf die Idee, FACC, MAN oder Magna bräuchten Vermittler für ihre Geschäfte mit bekannten Geschäftspartnern?

Wir standen vor der Aufgabe, Gegengeschäfte in der Höhe des doppelten Kaufpreises für die Eurofighter zu organisieren. Das macht man nicht so nebenbei. Da können Sie nicht einfach zu Partnern gehen und sagen: Gebt denen einmal ein paar Aufträge. Das hat eine hohe Komplexität in Hinsicht auf Produkte, Qualität, Lieferfähigkeit und Kosten.

Daimler vertraute Lande mehr als EADS selbst?

Das muss nicht so sein. Aber wenn sie ein internationaler Vermittler sind, dann haben sie viele Kontakte in viele Branchen. Lande war immerhin eine Empfehlung von Alenia.

Dann wurde Lande verurteilt.

Es ging um Anlagebetrug, der Jahre später stattfand. Das hat mit unserem Geschäft überhaupt nichts zu tun. Er sagte wohl im Zuge der Ermittlungen, dass er das Startgeld von EADS hatte. Wir sind völlig überrascht worden. Der Abgeordnete Peter Pilz hat das Thema aufgegriffen und hat die Staatsanwaltschaft bewegt, auch die Staatsanwaltschaft München einzuschalten.

Warum können Sie nicht erklären, was Vector mit den 100 Millionen Euro Provision gemacht hat?

Die wurden über zehn Jahre gezahlt, da relativiert sich die Summe. Ein wesentlicher Teil wurde sicher ausgegeben - in die genaue Kostenstruktur hatten wir, wie es bei Geschäftspartnern üblich ist, keinen Einblick. Die Erfolgsprämie gab es nur, wenn die Geschäfte eingereicht, geprüft und vom Wirtschaftsministerium bestätigt wurden.

Unser Gesprächspartner war - nochmal -Vector. Die Finanzflüsse von Vector an andere Firmen können wir nicht nachvollziehen. Aber jetzt, wo das Thema Steueroasen so aktuell ist: Vielleicht gibt es bald mehr Erkenntnisse über die Zahlungsflüsse. Wir wollen selber mehr wissen und haben zu diesem Zwecke eine unabhängige Kanzlei eingeschaltet.

Schließen Sie eine Rückabwicklung des Eurofighter-Kaufs aus?

Wir ja.

Schließen Sie eine Pönale für das Nichterreichen der Gegengeschäfte aus?

Ja. Theoretisch hätten wir noch bis 2018 Zeit.

Schließen Sie aus, dass Schmiergelder von EADS an Politiker oder Parteien in Österreich geflossen sind?

Klares Ja.

Schließen Sie das auch für EADS-Geschäftspartner aus?

Ausschließen kann ich gar nichts. Wenn es so wäre, dann sind wir die Geschädigten. Im Vertrag gibt es seitenlange Vereinbarungen über Compliance (Verhaltensregeln, Anm). Wenn Vector dagegen verstoßen hat, wäre das ein Bruch des Vertrages.

Falls Vector Geld weitergeleitet hat, wohl nur im Auftrag von EADS, alles andere macht keinen Sinn.

Angesichts des Anlagebetrugs in Rom stellt sich die Frage: Wurde Geld dafür auf die Seite gebracht? Ich habe darüber aber auch nur in Zeitungen gelesen.

Wolf-Peter Denker (73) ist Volkswirt und war Chef der Satellitensparte von EADS, kaufmännischer Leiter des Bereichs Militärflugzeuge und zuletzt Leiter des Berliner Büros von EADS. Außerdem war Denker Chef des Bereichs Regierungsbeziehungen Deutschland.