![Eine Illustration einer Frau mit Kopftuch.](https://media.wienerzeitung.at/f/216981/2500x1875/a87666ab3f/wz_podcast_header_fatima_storer.jpg/m/384x288/filters:quality(50))
Andreas Khol hat sich etwas getraut, dass man von heimischen Politikern eigentlich gar nicht mehr erwartet: Er hat ein selbstkritisches und herrlich reflektiertes Interview gegeben. Im "profil" bezeichnet Khol die Familienpolitik als "gescheitert" und wünscht sich mehr Kinderbetreuungseinrichtungen, damit die Mütter ihrem Beruf nachgehen können. Khol räumt sogar unreflektierten Konservatismus ein.
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Das ist beachtlich und lobenswert, vielleicht kommt jetzt endlich Bewegung in unsere verkorkste Familienpolitik. Jahrzehntelang haben ideologische Gräben, katholische Kirche und politische Nachwehen des Nationalsozialismus unsere Familienpolitik in die Sackgasse manövriert.
Und alles, was Andreas Khol heute weiß, wussten die Schweden und Franzosen bereits in den 1980ern. Bei allem Lob zu einer Fehlerkultur, ein Seitenhieb auf die Auswirkungen dieses familienpolitischen Tiefschlafes sei erlaubt, hat er uns doch vor allem viel Teilzeit und wenig Geburten beschert.
Wir haben eine desaströs niedrige Geburtenrate von 1,4 Kinder pro Frau. Nur
14 Prozent der Unter-Dreijährigen werden in Kinderkrippen betreut, im ländlichen Raum fehlen Kindergärten mit flexiblen und längeren Öffnungszeiten nahezu komplett. Mehr als die Hälfte der Frauen in Österreich arbeiten nur Teilzeit. Zum Vergleich: In Schweden arbeiten Mütter mit einem Kind bis sieben Jahre zu 41 Prozent in Vollzeit. Anders bei uns: Unter den 30- bis 44-jährigen Frauen werken 62 Prozent in Teilzeit.
Das Problem dabei? Teilzeit ist ein Karrierekiller, mit Teilzeit macht man keine Karriere. Arbeit soll auch für Mütter erfüllend sein und finanzielle Souveränität sichern. Teilzeit bedeutet jedoch meist weder das eine noch das andere.
Politiker bedienen sich gerne der viel zitierten "Wahlfreiheit" für Frauen. Doch dahinter versteckt sich hierzulande vor allem das Forcieren eines katholisch-konservativen Frauenbildes. Echte Wahlfreiheit würde nämlich weniger finanzielle Anreize bedeuten und stattdessen den flächendeckenden Ausbau hochwertiger Kinderbetreuungseinrichtungen - als Orte der Förderung und Entfaltung und nicht als Aufbewahrungsstätten. Es hieße weg mit einer Zuverdienstgrenze, die nichts schafft, als beruflichen Erfolg durch ein gesetztes Einkommenslimit abzustrafen. Im Übrigen ein sehr leistungsfeindlicher Ansatz für eine Partei, die so gerne die Leistungsträger in unserer Gesellschaft vertritt.
Nun, und die Lehren für den Seniorenbund-Obmann aus der Geschichte? Seniorinnen jetzt den Alleinverdienerabsetzbetrag zu streichen geht natürlich nicht - wie ungerecht wäre das!
Politiker dürfen Fehler machen. Sie haben aber auch die Konsequenzen zu tragen, und das wäre in diesem Fall die Rücknahme eines teuren Privilegs, das wir Jungen finanzieren. Diese Verantwortung hätte eigentlich auch ein Seniorenbund-Obmann.
Christina Aumayr-Hajek ist studierte Kommunikationswissenschaftlerin und Geschäftsführerin von Freistil-PR.