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Die Heirat des Jahres

Von Alexander von der Decken

Gastkommentare
Alexander von der Decken
© Alexander von der Decken

Revolution in Palästina: Die verfeindeten Parteien Hamas und Fatah geben sich das Jawort, sie vereinbaren eine gemeinsame Regierung und wollen einen unabhängigen Staat gründen - und kein Schuss fiel.


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Unterdessen bombt die Nato weiter in Libyen. Gaddafi taktiert und die Gefahr eines Flächenbrands nimmt zu. Der Funke der Freiheit ist auf Syrien übergesprungen, es wird nicht das letzte Land in der Region sein. Der syrische Präsident Baschar Hafiz al-Assad setzt, wie Gaddafi, auf Konfrontation, mit dem Unterschied, dass der Westen ihn aus sicherheitspolitischem Kalkül gewähren lässt. Das ist eine Schande. Amerika beschränkt sich auf verbale Muskelspielerein und Israel schweigt zu dem Morden im Nachbarland. Dabei könnte der Pakt mit dem Teufel nach der "palästinensischen Hochzeit" hinfällig werden.

Hinzu kommt, die Koalition der Willigen steckt in der Klemme. Ihre Luftschläge gegen das Gaddafi-Regime zeigen nicht den gewünschten Erfolg. Sollte der Blutzoll ansteigen, dürfte die Forderung nach Bodentruppen lauter werden. Eine Zäsur: Ein zweites Irak wäre Realität. Die Koalition der Willigen muss sich die Frage gefallen lassen, welches Ziel sie mit ihrer Konzeptlosigkeit angestrebt hat.

Zu glauben, mit gezielten Luftschlägen ägyptische Verhältnisse in Libyen zu schaffen, das ist Glücksspielerei. Die in die Jahre gekommene Sicherheitsarchitektur, die durch die Revolutionen in der Region derzeit in sich zusammenfällt, wird Israel dauerhaft keinen Schutz mehr bieten. Das sollte auch in Tel Aviv langsam die Runde gemacht haben.

Der Gedanke der Freiheit ist keine Ware, die an der Börse der Willfährigkeit gehandelt werden darf. Der Kampf für die Freiheit lässt sich nur in eine Richtung führen - in Richtung Freiheit. Bomben und Panzer weisen in die entgegengesetzte Richtung. Der Erfolg lässt sich sich nur am Verhandlungstisch realisieren. Die Türkei hat sich Syrien politisch und wirtschaftlich angenähert, seit die diplomatischen Beziehungen zu Israel einen Tiefpunkt erreicht hatten. So paradox es klingt, das könnte stabilisierend wirken, denn mit dem zunehmenden Einfluss Ankaras in der Region, bekommt der Iran Konkurrenz als Machtfaktor im Nahen Osten. Selbst wenn Assad, mit Gewalt an der Macht bliebe, seiner Herrschaft wohnt bereits der Keim des Untergangs inne, dafür sorgen die Freiheitsbestrebungen in der Region. Der Nahe Osten braucht ein neues Sicherheitskonzept unter Einbindung Israels. Nur so lassen sich künftig Waffengänge vermeiden.

In der Vergangenheit wurde immer wieder das "türkische Modell" für die arabische Welt ins Spiel gebracht. Der türkische Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan versucht mit der AKP in der Türkei das Experiment, demokratische Strukturen mit dem Islam zu verknüpfen. Mit diesem Modell ließe sich die Diskussion um eine friedliche Zukunft im Nahen Osten anstoßen. Ankara will seinen Einfluss in der Krisenregion weiter ausdehen. Man mag die Führung in Ankara wegen ihrer Kurdenpolitik und ihrer zögerlichen Aussöhnung mit den Armeniern kritisieren, doch derzeit ist die Türkei das einzige Land, das glaubhaft im Nahen Osten agieren kann.

Amerikanische Bestrebungen sind hierbei nicht besonders hilfreich, solange sie sich darauf konzentrieren, den Machthabern Luxus-Asyl in einem afrikanischen Staat zu ermöglichen. Bei Verbrechen gegen die eigene Bevölkerung kann die neue Anschrift nur Den Haag lauten. Auch das ist Glaubwürdigkeit.

Alexander von der Decken ist Redakteur beim "Weser Kurier" in Bremen.