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Das deutsche Verfassungsgericht hat in seinem Urteil zur Euro-Rettung unter anderem festgestellt, dass es nicht die Aufgabe der Politik zu übernehmen habe. Ähnlich äußerten sich die beiden österreichischen Ex-Verfassungsgerichtshof-Präsidenten Ludwig Adamovich und Karl Korinek in der Mittwoch-Ausgabe der "Wiener Zeitung". Der in Karlsruhe durchgewunkene Euro-Fiskalpakt bringt nun - man kann das juristisch argumentieren, wie man will - eine Schrumpfung des Kerns nationaler Souveränität: jene der Budget-Hoheit.
Die Politik wird sich also die Frage stellen müssen, welchen Stellenwert nationale Verfassungen in Zukunft haben können. Wie vielfach festgestellt, benötigen immer mehr Lösungen in Europa ein gemeinsames Vorgehen. Der Nationalstaat hat de facto ausgedient - und mit ihm große Teile der nationalen Verfassungen. Dieser Satz erschreckt viele Bürger, daher wird er von Regierungspolitikern tunlichst vermieden. Und die verunglückten Anläufe zu einer europäischen Verfassung, die schlussendlich im Lissabon-Vertrag endeten, stecken noch vielen Politikern in den Knochen.
So ganz verständlich ist das eigentlich nicht. Ein Land, das der EU beitreten möchte, muss in der Regel Verfassungsbestimmungen ändern - sie werden also zweitrangig hinter dem EU-Recht behandelt. Die Regierungen in Budapest und Bukarest erfahren aktuell, was auf EU-Ebene passiert, wenn nationale Verfassungen plötzlich autoritäre Züge annehmen. Auch hier wird der europäische Grundgedanke sehr hoch gehalten.
Warum das beim Geld, also der gemeinsamen Währung, anders sein soll, erschließt sich dem Nicht-Juristen nicht gleich.
Was Europa benötigt, ist eine EU-weite Volksabstimmung (ohne nationale Ergebnisse gelten zu lassen) über den Stellenwert der Gründungsverträge der EU. Dem stehen aber nationale Verfassungsbestimmungen entgegen - womit sich die Katze in den Schwanz beißt.
Um es also deutlich zu sagen: Es müsste über irgendeine Art von Notstandsverordnung das Europäische Parlament in die Lage versetzt werden, eine solche Vorgangsweise zu beschließen. Die Politik wird dafür nicht mutig genug sein, aber die Verfassungsgerichte hätten dafür vermutlich Verständnis. Denn diese Richter wollen (und können und dürfen) gewählte Politiker nicht ersetzen.