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Die Helden von Japan

Von Hermann Sileitsch

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In Japan sterben zehntausende Menschen - und in unseren Breiten faseln Wirtschaftsexperten von "kreativer Zerstörung", die sogar einen Wachstumsschub bringen könnte. Man muss sich geistig schon sehr weit vom Leben absentiert haben, um nicht zu erkennen, welche Menschenverachtung hinter solchen Aussagen steckt. Aber selbstverständlich haben Profis schon in der Sekunde nach dem Unglück begonnen, die neue Lage auf Investmentchancen und -risiken abzuklopfen.


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Wo aber beginnt der Zynismus, wo hört er auf? Handelt auch der kleine Häuselbauer moralisch verwerflich, wenn er sich fragt, was die Japan-Krise für seinen Yen-Kredit bedeutet? Ist es zynisch, sich Sorgen um die japanische Wirtschaft oder die globale Konjunktur zu machen, wo es den Menschen im Inselstaat am Allernötigsten fehlt, sie ums Überleben kämpfen und als ultimative Bedrohung eine atomare Wolke über ihren Köpfen schwebt?

Es stimmt natürlich: Angesichts des menschlichen Leides verkommt alles andere zur Nebensache. Allerdings wäre es ein grober Fehler, die Wirtschaft als etwas zu betrachten, das in Sphären fernab der Menschen stattfindet und zu pausieren hat, wenn ein Unglück passiert. Das Gegenteil ist der Fall: Gerade jene Menschen, die das Schicksal am härtesten getroffen hat, sind darauf angewiesen, dass rasch Normalität einkehrt: Damit sie Wasser, Lebensmittel, Medikamente, Decken erhalten können. Damit Straßen, Stromversorgung, Telefonverbindungen wieder funktionieren. Damit sie möglichst rasch ein Dach über dem Kopf bekommen. Die Helden von Japan, das sind auch all jene, die trotz der ungeheuren psychologischen Belastung weiter zur Arbeit gehen und so ihren Beitrag leisten, dass das Leben nicht zum Stillstand kommt, sondern Hilfe möglich ist.