Affäre zeigt Verflechtungen zwischen Wirtschaft und Politik auf. | Ex-Minister ist bereits in Haft. | Neu-Delhi/Wien. Er gilt als einer der einflussreichsten und mächtigsten Männer Indiens: Der Wirtschaftsmagnat Anil Ambani, der durch Geschäfte in der Telekommunikationsbranche Milliarden Dollar schwer ist. Doch kürzlich fand sich der Besitzer des zweitgrößten Mobilfunkkonzern des Landes, Reliance Communications, in einer wenig glanzvollen Rolle wider. Bedrängt von Reporten verließ er das Büro der Bundespolizei, die ihn soeben verhört hatte.
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Ambani steht im Mittelpunkt eines Skandals, den die Zeitung "The Hindu" als größten Betrug in der Geschichte Indiens seit der Erlangung der Unabhängigkeit einschätzt. Es geht um eine Schmiergeldaffäre bei der Vergabe von Telekom-Lizenzen, durch die der Staat laut eines Berichtes des indischen Rechnungshofes bis zu 39 Milliarden Dollar verloren hat. Die Affäre bringt die Regierung schwer in Bedrängnis. Premier Manmohan Singh hat sich nun der Forderung der Opposition nach einem parlamentarischen Untersuchungssausschuss gebeugt.
Er sei nicht der große Schuldige, betont der Premier, der Rücktrittsaufforderungen abschmettert. Singh sei ein ehrlicher Premier, sagt der frühere Geschäftsmann und nunmehrige Buchautor Gurcharan Das. "Aber er scheint einer der korruptesten Regierungen in der Geschichte Indiens vorzustehen."
Der ehemalige Telekommunikationsminister Andimuthu Rata ist wegen der Schmiergeldaffäre bereits in Haft. Und der Skandal wirft ein Schlaglicht auf die weit verbreitete Korruption und zeigt die Verbindungen zwischen Politik und Geschäftswelt in einem Land auf, in dem Abgeordnete oft auf der Rückseite ihrer Visitenkarte ihre Unternehmensadresse angeben. Indiens Wirtschaftsmagnaten geraten immer mehr ins Zwielicht. Dabei hatten sie lange Zeit einen sehr guten Ruf und wurden auch in Bollywood-Filmen gerne als Helden dargestellt. Die Manager galten vielerorts als die innovativen Kräfte, denen Indien seinen Aufschwung verdankt und die sich gegen eine träge Bürokratie durchsetzen. Doch nun verbinden die Inder "Wirtschaft mit Korruption wie nie zuvor", sagt Siddarth Varadarajan, Korruptionsexperte bei "The Hindu". Der nun bevorstehende parlamentarische Untersuchungsausschuss, vor dem wohl eine Reihe der größten Telekom-Tycoons antreten wird müssen, wird dieses Bild noch verstärken.
Weniger Nachsicht
Gleichzeitig sehen Korruptionsbekämpfer in dem öffentlichen Aufschrei rund um den Skandal ein positives Zeichen. Die Ereignisse würden deutlich machen, dass kritische Medien, zusehends selbstbewusste Untersuchungsbehörden und eine wachsame Mittelschicht immer weniger Nachsicht gegenüber dubiosen Geschäften zeigen. Und auch manche der reichsten Geschäftsleute Indiens, die in keinerlei Affären verstrickt sind, distanzieren sich in öffentlichen Kommentaren demonstrativ von ihren korrupten Kollegen.