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Kunst-Spagat | zwischen Kreativität und Effizienz. | Was ist die Leistung wirklich wert? | Wien. Zwischen den kreativen Köpfen herrscht ein "knallharter Wettbewerb". Davon ist Erich Pöttschacher überzeugt - und der muss es immerhin wissen. Pöttschacher ist Gründer von Shapeshifters, einem Beratungsunternehmen, das sich explizit an professionelle Kreative in aller Welt richtet. "Wer in Wien ein Mode-Label aufziehen will, muss einen Kunst-Spagat machen", sagt er im Gespräch mit der "Wiener Zeitung". Der Konkurrenzdruck, die Schwierigkeiten mit der Finanzierung und der Preisdruck der großen Industrieproduktionen macht kreativen Kleinstbetrieben das Leben schwer.
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Doch wer fällt eigentlich unter den Begriff der "Creative Industries"? Laut Pöttschacher gibt es 13 Kernbranchen - darunter Architektur, Musik, Design und der Publishing-Sektor.
Die Unterscheidung zu Künstlern ist dabei nicht immer einfach. Michael Moeller, geschäftsführender Gesellschafter der Beratergruppe Neuwaldegg, will diese Bereiche streng getrennt sehen. "Creative Industries hat nichts mit Kunst zu tun, sondern damit, wirtschaftlichen Wert zu schaffen", sagt er und schneidet damit auch ein zentrales Problem der Kreativwirtschaft an: Wie beziffert man diese Leistung überhaupt, die zu einem Großteil darin besteht, dass man sich den Kopf über etwas zerbricht? "Es ist eine total ungreifbare Leistung", stellt Pöttschacher klar. Ungreifbar vor allem für die Kunden, die oft nicht verstehen würden, warum sie für einige Ausdrucke eines Konzepts mehrere tausend Euro hinblättern müssten.
Eher klein gehalten
Der heimische Kreativwirtschaftsbericht der Wirtschaftskammer Österreich hat die kreative Landschaft Österreichs in kulturelles Erbe wie etwa Denkmalpflege, darstellende Kunst, den audivisuellen Bereich, visuelle Kunst, Buch und Presse und transversale Bereiche wie etwa das Bildungswesen gegliedert.
Folgt man dieser Definition, zählen in Österreich rund 29.000 privatwirtschaftliche Unternehmen mit etwa 102.000 Beschäftigten zur Kreativwirtschaft. Durchschnittlich sind in den kreativen Betrieben vier Mitarbeiter beschäftigt. "Viele von diesen Unternehmen sind eher klein", bestätigt auch Moeller. Darüber hinaus hätten sie oft keine Stammkundschaft und würden sich von Projekt zu Projekt weiterhanteln. Dabei sei es sehr schwierig, die Balance zwischen Kreativität und Effizienz zu halten. Wer nur Ideen hat, diese aber nicht umsetzen kann, wird auf der Strecke bleiben. "Hier liegt die große Herausforderung", meint Moeller. Genau hier könnten sich kleinere Unternehmen auch einen Vorteil gegenüber den etablierten großen Produktionsbetrieben verschaffen. Denn diese stehen laut Moeller unter hohem Gewinndruck und müssten sehr effizient wirtschaften - mit der Konsequenz, dass die Kreativität manchmal hintangestellt werden muss.
Neues durch Regelbruch
"Wenn man etwas Neues schaffen will, muss man Regeln brechen. Effiziente Industrieproduktionen haben aber viele Regeln. Wer allein ist, dem fällt das leichter", bringt es Moeller auf den Punkt. Die Kehrseite der Medaille: Natürlich trägt man alleine mehr Risiko.
Doch immer mehr Menschen nehmen das in Kauf - viele um des Lifestyle willens, weiß Pöttschacher. "Viele steigen aus großen Unternehmen aus, nehmen Einkommenseinbußen in Kauf, nur um ohne schlechtes Gewissen drei Stunden Mittagspause zu machen", erzählt er. Hier setzt der Shapeshifters-Gründer auch mit seiner Kritik an: Man müsse sich fragen, wie viel die zahlreichen Kreativen auch tatsächlich zur Wirtschaft beitragen. Denn vielen, die in diese Branche strömen, ginge es nur um ihre persönliche Selbstverwirklichung und nicht um unternehmerisches Handeln inklusive der Schaffung nachhaltiger Werte und Arbeitsplätze, merkt Pöttschacher kritisch an.
Was rät er kreativen Köpfen, die sich selbständig machen wollen? "Ja nicht die Strukturen aus großen Unternehmen kopieren! Das funktioniert nicht."