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Turbulenzen bei Traditionsfirmen schüren im Wahljahr Job-Ängste.
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Wien. "It’s the economy, stupid", sagte der frühere US-Präsident Bill Clinton 1992 und gewann die Wahl. "Es geht um die Hacke", könnte man 2013 auf gut Wienerisch sagen und liegt für die Herbstwahl wohl genauso richtig wie Clinton zwanzig Jahre zuvor.
Denn Wirtschaft und Arbeitsplätze sind zwei Seiten einer Medaille. Und für die Wähler ist das Thema Arbeitsplätze so wichtig wie seit Jahrzehnten nicht mehr.
"In den 90er Jahren stand die Umwelt ganz oben, in den 2000ern die Bildung und heute sind es die Arbeitsplätze", sagt Günther Ogris vom Forschungsinstitut Sora. Der Sozialforscher hat sich bei den vergangenen vier Landtagswahlen angesehen, welche Themen die Wähler am meisten bewegen, und bei allen lag "Arbeitsplatz" mit Abstand vor Themen wie "Bildung".
Das hat faktische und psychologische Gründe. Fakt ist: Die seit 2008 dauernde Wirtschaftskrise ist noch immer nicht überwunden und die Arbeitslosigkeit liegt mit fast sieben Prozent im Mai auf einem historisch sehr hohen Stand. Da tröstet auch der internationale Vergleich nicht darüber hinweg, wonach Österreich Musterschüler ist. Wenn es um die Qualität der Arbeit geht, spielen der gestiegene Stress und Zeitdruck eine Rolle.
Auf der psychologischen Seite verstärken wöchentliche Berichte über Werksschließungen oder Kündigungen bei bekannten Firmen die Unsicherheit am Arbeitsmarkt und dürften den Druck auf die Politik, Lösungen anzubieten, über den Sommer noch verstärken. Denn die ohnedies schwachen Wachstumsprognosen wurden zuletzt wieder revidiert.
Alarmsignale
Beim Baukonzern Alpine, der alleine in Österreich 7500 Mitarbeiter beschäftigt, reißen die Hiobsbotschaften nicht ab (siehe unten). Beim Schlecker-Nachfolger Dayli sind bereits 560 Mitarbeiter zur Kündigung angemeldet, wie es mit der Drogeriekette, die in Österreich 3500 Mitarbeiter beschäftigt, weitergeht, ist ungewiss. Beim Technologiekonzern Siemens gab es Spekulationen über insgesamt 1000 Kündigungen. Die Verlagerung nach China kostete in Kärnten 109 Mitarbeiter des Leiterplattenherstellers AT&S den Job. Und wenn Traditionsbetriebe wie die Elektronikkette Niedermeyer dichtmachen, geht nicht nur ein Stück Tradition, sondern auch ein Stück Vertrauen in die heimische Wirtschaftskraft verloren. "Dort, wo Jobs abgebaut werden oder sich die Menschen bedroht fühlen, verdreifacht sich der Anteil der Protestwähler", sagt Ogris.
Doch wie düster ist die Lage wirklich und wie schlimm wird es bis zum Intensivwahlkampf im August?
Wenn es Schließungen wie etwa bei Niedermeyer gebe, konzentrierten sich die Arbeitsuchenden nicht an einem Standort, sondern sie verteilten sich auf ganz Österreich. Zwar hätten mehrere große Firmen im Handel Frühwarnungen angemeldet. Das sei aber noch kein Zeichen einer Krise, sagt Beate Sprenger, die Sprecherin des Arbeitsmarktservice AMS. Denn Frühwarnung sei eben noch keine Kündigung.
Auch Helmut Hofer, Arbeitsmarktexperte am Institut für Höhere Studien, sieht in den Anmeldungen zum Frühwarnsystem selbst noch kein Krisenszenario aufdämmern. Denn in den Medien würden eben nur große Freisetzungen bekannt, aber wenn viele kleine Unternehmen zwei oder mehr Arbeitnehmer aufnehmen, werde das öffentlich nicht registriert. Es sei überraschend, dass trotz der schlechten Konjunktur so viele neuen Jobs geschaffen würden, sagt Hofer. Man könne sagen, dass die Kleinen der Jobmotor sind, aber nicht immer würden dort qualifizierte Jobs geschaffen. Auch die Politik könne keine Jobs schaffen, aber sie kann Rahmenbedingungen setzen, sagt Hofer. Und diese lauteten: Dafür sorgen, dass die Menschen rasch vermittelt werden. Und in Ausbildung investieren.
Der Leiter des AMS Kärnten, Franz Zewell, der sich um die Betroffenen bei AT&S kümmert, meint: "Grosso modo kann man sagen, dass ein Drittel selbst einen Job findet, ein Drittel vom AMS innerhalb von sechs Monaten vermittelt wird und ein Drittel gefährdet ist, ausgegrenzt zu werden."
Was den Einzelhandel betrifft, der derzeit für viel negative Schlagzeilen sorgt, beruhigt Sprenger. "Da ist die Fluktuation sehr hoch. Einzelhandelskauffrau oder Einzelhandelskaufmann ist ein stark nachgefragter Beruf." Es gebe daher für die aktuell Betroffenen gute Chancen, wieder unterzukommen.
Wirtschaft und Arbeit
Der Politik ist die Sorge um den Arbeitsplatz -sei sie berechtigt oder nur gefühlt - für die Wahl im Herbst nicht entgangen. Zwar beginnt der Intensivwahlkampf erst im August. Doch schon jetzt positionieren sich die Parteien. Die SPÖ und ÖVP stehen sich schon jetzt als "Arbeiterpartei" versus "Wirtschaftspartei" gegenüber. Die ÖVP betont, was auch Hofer meint, dass eben nur die Wirtschaft und nicht der Staat Arbeitsplätze schaffen könnte. Deswegen müsse man die wirtschaftliche Dynamik der Wirtschaft wieder entfesseln. Das Programm umfasst eine Finanzierungshilfe für Klein- und Mittelbetriebe, eine Standortpolitik, die großen Industriekonzernen wieder das Leben erleichtert und niedrigere Lohnnebenkosten, damit Firmen wieder leichter Arbeitskräfte einstellen können.
Die SPÖ setzt zunächst stark auf Gefühl und plakatiert sich als " Partei der Arbeit". Und sie traut dem Staat einiges zu am Arbeitsmarkt. So sollen durch die Wohnoffensive nicht nur Tausende neue Wohnungen gebaut, sondern ein Vielfaches an Jobs geschaffen werden. Außerdem setzt sie darauf, dass neue Arbeitsplätze frei werden, wenn die Menschen, die schon in Beschäftigung sind, weniger Überstunden machen. Die FPÖ setzt auf weniger Zuwanderung und so wie auch das BZÖ auf einen Steuerbonus für Handwerksarbeiten. Beim Handwerk setzt auch das Team Stronach an. Junge sollen wieder verstärkt klassisches Handwerk lernen. Bei den Grünen stehen staatliche Investitionen in Bildung, Pflegeberufe oder Öko-Jobs im Vordergrund.
Prekäre Zeiten
Worauf die Grünen noch setzen, ist die bessere Absicherung von Jobs. Damit dürften sie nicht so falsch liegen. "Der Anteil der Vollzeitjobs in stabilen Verhältnissen ist gleich geblieben und erhöht sich nicht. Doch es sind viele Teilzeitkräfte und Menschen in prekären Jobs dazugekommen", sagt Ogris. Das müsse auch die SPÖ bedenken. "Die SPÖ muss glaubwürdig machen, dass sie sich nicht nur um den geschützten Bereich kümmert, sondern auch um diese neuen Beschäftigungsverhältnisse. Sonst wird die Linie schwierig."
Risiken sieht Ogris auch in der ÖVP-Linie. Wenn sie sagt, der Staat kann keine Arbeit schaffen, könnten manche das Gefühl bekommen, sie wollen gar nicht."
Wie weit das Wahlkampfthema Arbeitsplatz geht, zeigt der Dauerstreit um Mieten, Gebühren oder Steuern. Denn auch hier geht es am Schluss darum, wie viel vom Lohn der Arbeit am Schluss übrig bleibt - sprich, ob sich Arbeit lohnt.