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Die Herren der Mauer

Von Clemens Neuhold

Wirtschaft
4,68 Meter ist diese IBS-Schutzwand in Grein an der Donau hoch. Viel höher geht nicht.
© IBS

Deutsche Firma IBS als Gewinner des österreichischen Konjunkturpaketes.


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Wien. "Wir sind gerade noch rechtzeitig fertig geworden." Geflutete Häuser, Keller, Wiesen und Ortschaften. Das "Jahrhunderthochwasser". Ein paar Monate früher. Nicht auszudenken. Doch sie sind rechtzeitig fertig geworden, die Sockel und Halterungen für die mobilen Schutzwände aus Aluminium, die spektakuläre Bilder der Katastrophe zeitigten und die Donau in ein randvolles Bassin vor historischer Kulisse verwandelten.

Volle Geldtöpfe gegen das nächste Hochwasser

Jetzt sind sie wieder in diverse Garagen verräumt, die Schutzwände der deutschen Firma IBS, und warten von Linz bis Klosterneuburg auf die nächste Flut. "95 Prozent sind von uns", sagt Geschäftsführer Xaver Storr. Monopol könnte man sagen, er nennt es lieber "marktbeherrschend". In Österreich hat IBS 20.000 Quadratmeter an mobilen Mauern errichtet. Ein Quadratmeter kostet 500 Euro, macht zehn Millionen Euro, die IBS dank seiner Geschäftsidee bereits in Österreich umgesetzt hat. Und der höchste Pegelstand ist noch lange nicht erreicht. Im "Konjunkturpaket", das die Regierung vergangene Woche präsentierte, sind alleine für den Hochwasserschutz an der Donau weitere 30 Millionen Euro bis 2016 veranschlagt, aus dem Topf "Hochwassersicheres Österreich" fließen 2014 noch einmal 50 Millionen Euro. Eine deutsche Firma als Gewinner des österreichischen Konjunkturpaketes.

Storr beeindrucken solche politischen Ansagen nicht sonderlich, denn die Firma ist ohnedies voll im Geschäft. Weitere 10.000 Quadratmeter werden entlang der österreichischen Donau gerade errichtet oder sind - wie in Korneuburg - geplant. Die Ausbauprogramme dürften nun einfach noch beschleunigt werden.

Konjunkturprogramm schafft auch deutsche Jobs

Der geplante Ausbau des Hochwasserschutzes ist neben der Wohnbauoffensive ein Eckpfeiler des Konjunkturpaketes, das ein Ziel hat: Jobs, Jobs, Jobs. Die Pleite des Bauriesen Alpine und weitere Hiobsbotschaften vom Arbeitsmarkt setzen die Regierung im Wahljahr unter Zugzwang. Fragt sich, wer von den Hochwassermaßnahmen neben der IBS noch profitiert?

Die hochtechnischen Montagen und Schraubarbeiten im Vorfeld übernehmen deutsche Teams. Österreichische Arbeiter kommen bei den Bauarbeiten vor Ort zum Einsatz - sei es an den Promenaden, den Kanalleitungen oder Fundamenten. Storr rechnet mit 15 Arbeitern auf sechs anstehenden Baustellen, die über die nächsten Jahre für die mobilen Wände gebraucht werden: Macht einen Jobeffekt von rund 100 Arbeitsplätzen.

Das Stahl bezieht die Firma aus Österreich von der Hydro Aluminium Nenzing. Mobile Schutzwände sind aber nur ein Teil eines umfassenden Hochwasserschutzes, betont Storr.

Österreich war besser vorbereitet als Deutschland

Bei den Fundamenten der Schutzwände sind tiefe Grabungen, Drainagen und Pumpen "hinter der Linie" notwendig, damit es Wasser im Ernstfall nicht unter den Mauern durchdrückt.

Wenn die Vorarbeiten geleistet sind, hängt es im Ernstfall an den Einsatzkräften, die Schutzwände so rasch als möglich aufzustellen. Das deutsche Familienunternehmen war nicht nur in Österreich an der Hochwasserfront, sondern auch in Deutschland. Alleine in Köln stehen auf beiden Ufern des Rhein zusammen 14.000 Quadratmeter an mobilen Schutzwänden bereit. Wie haben die beiden Länder aus seiner Sicht auf die Katastrophe reagiert? "Österreich war mutiger, entschlossener und gesellschaftlich teamfähiger als Deutschland", streut Storr den Österreichern Rosen. Man habe gemerkt, dass es klare Einsatzpläne und einen Schulterschluss zwischen Politik, Behörden und den Betroffenen gegeben habe. Dort, wo es in Deutschland überhaupt Schutzwände gibt, sind diese kaum höher als vier Meter.

Die Wand in Grein an der Donau (siehe Foto) war 4,68 Meter. Gott sei Dank. Doch die Wetterkapriolen nehmen tendenziell zu. Das nächste "Jahrhunderthochwasser" kommt sicher nicht erst im 22. Jahrhundert. Ein Hochwasser ist ein nach oben offenes Ereignis. Doch bis zu welcher Höhe können Schutzwände gehen?

Mobiler Schutz nur an der Donau möglich

"Wir haben Wände bis zu fünf Meter. Klar gingen noch 20 Zentimeter oder gar ein Meter. Aber irgendwann ist dann schwerer Stahl nötig und die Wände sind nicht mehr mobil", sagt der Experte. Mobilität sprich Tempo entscheidet über Flut oder Nichtflut. Schon die mobilen Schutzdämme brauchen 1 bis 2 Tage Vorlaufzeit und setzen ein entsprechendes Pegelwarnsystem voraus. Je schwerer, desto länger dauert es.

Wegen der Vorlaufzeit kommt in Österreich praktisch nur die Donau für die mobilen Schutzwände in Frage. "Einen Fluss, der in zwei Stunden anschwillt, können wir nicht aufhalten." Trotzdem wird noch viel Wasser die Donau hinunter fließen, bis die Geschäftsmöglichkeiten der IBS hierzulande austrocknen.