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Vor 20 Jahren wurde die Europäische Zentralbank gegründet. Der Euro wurde dank ihr zur Erfolgsgeschichte.
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Frankfurt/Wien. Der Start war alles andere als einfach gewesen. Noch bevor der Euro überhaupt eingeführt wurde, wurde die europäische Gemeinschaftswährung vom damaligen deutschen Kanzlerkandidaten Gerhard Schröder schon als "kränkelnde Frühgeburt" verspottet. Mit seiner Meinung war Schröder, der nur wenige Wochen danach zum Regierungschef gewählt wurde, im Jahr 1998 nicht allein. Auch viele andere prophezeiten dem Euro ein schnelles Scheitern.
20 Jahre danach hat der vermeintliche Schwächling Weltgeltung. Geschäfte in New York, Sydney oder Singapur akzeptieren heute den Euro wie selbstverständlich neben dem Dollar oder der lokalen Währung. Und trotz teils massiver Turbulenzen in den vergangenen Jahren ist das gemeinsame Geld der Europäer eine stabile und harte Währung, die bei einem überwiegenden Teil der Bevölkerung hohes Vertrauen genießt.
Zu verdanken ist das vor allem der Europäischen Zentralbank (EZB), die am heutigen Freitag 20 Jahre alt wird. Sie hat nach fast einhelliger Meinung von Politikern und Ökonomen entscheidend dazu beigetragen, dass das historisch beispiellose Experiment, in vielen unterschiedlichen Ländern eine einheitliche Währung zu etablieren, am Ende doch gelungen ist. "Während der Euro-Krise war die EZB vielleicht der wichtigste, wenn nicht manchmal sogar der einzige wahre europäische Akteur", sagt Carsten Brzeski, Chefvolkswirt der niederländischen Großbank ING. "Ohne die EZB gäbe es den Euro in seiner jetzigen Form wohl nicht mehr."
Dabei hatte die Geschichte dieses "einzigen und wahren" Akteurs vor 20 Jahren mit genau jenem typisch europäischen Kompromiss begonnen, der bis heute die Postenbesetzung in der mächtigsten Finanzinstitution Europas prägt. Weil Frankreich und Deutschland, die beiden größten Volkswirtschaften Europas, einen eigenen Kandidaten nur unter größter Mühe durchgebracht hätten, wurde 1998 schließlich der Niederländer Wim Duisenberg der erste EZB-Präsident der Geschichte. Doch auch wenn Duisenberg eine Kompromisslösung war, legte er den Grundstein für die Reputation der EZB und ihre weitreichende Handlungsfähigkeit. So pochte der Niederländer von Anfang an vehement auf die grundsätzlich schon im Mandat festgelegte Unabhängigkeit der EZB und wies alle nationalen Begehrlichkeiten nach höheren oder auch niedrigeren Zinsen entschieden zurück. "Ich höre sie, aber ich höre nicht auf sie", lautet das berühmteste Zitat Duisenbergs.
Gleichzeitig bemühte sich Duisenberg intensiv um das Vertrauen der Bürger, die häufig nicht so recht daran glauben wollten, dass die neue Gemeinschaftswährung ebenso stabil sein würde wie zuvor D-Mark, Franc und Schilling. Denn aus Sicht des Niederländers durfte es in der Bevölkerung keinen Zweifel daran geben, dass die EZB ihre zentrale Aufgabe erfüllt und die Inflation in geordneten Bahnen hält. "Der Euro ist ihre Währung, und sie sollten sich darauf verlassen können, dass er seinen Wert behält", sagte Duisenberg bereits bei der EZB-Gründungsfeier im Jahr 1998.
"Alles, was nötig ist"
Dass Duisenberg und sein Nachfolger Jean-Claude Trichet die EZB so fest als europäische Institution verankerten, hat sich vor allem im Sommer 2012 bezahlt gemacht. Damals spekulierten Investoren auf ein Ende des Euro und trieben damit die Zinsen für Staatsanleihen in Europas ohnehin schon schwer angeschlagenen Krisenländern noch weiter in die Höhe. In der Folge schafften es mit Spanien und Italien gleich zwei zentrale Euroländer nicht mehr, die Investoren zu überzeugen, ihnen zu vertretbaren Konditionen Geld zu borgen.
Dass der Euro, der zu diesem Zeitpunkt bereits sturmreif geschossen schien, nicht tatsächlich kollabierte, war vor allem einem Machtwort des erst Ende 2011 an die EZB-Spitze aufgerückten Italieners Mario Draghi zu verdanken. "Die EZB wird alles tun, was nötig ist, um den Euro zu retten", versprach Draghi, der damals auch eine bedingungslose Entschlossenheit im Kampf für die gemeinsame Währung vermittelte, die Politikern zu dieser Zeit fehlte.
Selbst seine Kritiker gestehen Draghi zu, dass er mit seinem beherzten Einschreiten die Eurozone in der tiefsten Krise ihrer jungen Geschichte stabilisiert hat. An den Spätfolgen der damaligen Geschehnisse laboriert der mittlerweile auf 19 Mitglieder angewachsene gemeinsame Währungsraum allerdings bis heute. Denn während die wirtschaftlich schwächeren Länder Südeuropas über die ultralockere Geldpolitik Draghis und den mittlerweile schon seit zwei Jahren bei null liegenden Leitzinssatz jubeln können, müssen die Notenbanker in der Frankfurter EZB-Zentrale die diversen Sondermaßnahmen vor allem in Deutschland rechtfertigen. Und nachdem Euroland Italien jetzt auf eine Krise zusteuert, fragen sich viele, ob die EZB überhaupt noch Maßnahmen in ihrem Köcher hat, um die drittgrößte Volkswirtschaft der Eurozone vor einer neuerlichen Pleite zu bewahren. Die Zinsen sind noch immer im Keller. Und der Ankauf der Staatsanleihen sollte eigentlich demnächst auslaufen.
In Berlin haben insbesondere die jüngeren Hilfen der EZB eine Sehnsucht nach dem Stil der Deutschen Bundesbank genährt. Die EZB brauche "mehr deutsche Handschrift", forderte etwa Markus Söder, heute bayerischer Ministerpräsident, vor zwei Jahren in der "Bild am Sonntag".
Als Hoffnungsträger gilt daher Bundesbank-Präsident Jens Weidmann, der Draghi möglicherweise im Jahr 2019 beerben könnte. Denn schon in den vergangenen Jahren hat sich Weidmann immer wieder öffentlich gegen die Geldpolitik der EZB gestellt.
Eine Lösung im Paket
Ob Weidmann im Jahr 2019 tatsächlich EZB-Präsident wird, ist allerdings ungewiss. Denn der von Weidmann angestrebte Kurswechsel ist im Augenblick noch ein Minderheitenprogramm. Vor allem die durch die Situation in Italien ohnehin alarmierten Südeuropäer fürchten, dass die Märkte überreagieren, wenn der fast zur Gewohnheit gewordene Geldfluss der EZB zu rasch versiegt.
Viel wird daher davon abhängen, wie sehr die deutsche Kanzlerin Angela Merkel gewillt ist, Weidmann durchzukämpfen. Da 2019 aber auch noch der Posten des EU-Kommissionspräsidenten und des EU-Ratspräsidenten besetzt werden müssen, ist es nicht auszuschließen, dass ein Kompromisskandidat, der weder aus Deutschland noch aus Frankreich stammt, zum neuen EZB-Chef gekürt wird. Zwei Jahrzehnte nach ihrer Gründung wäre die EZB damit wieder da, wo 1998 alles begonnen hat.
Die Europäische Zentralbank im Schnelldurchlauf
Welche Aufgabe hat die EZB?
Die Europäische Zentralbank bestimmt die Geldpolitik in den 19 EU-Ländern, die den Euro seit 1999 eingeführt haben. Nach dem EU-Vertrag von Maastricht soll die EZB die Kaufkraft des Euro bewahren und die Inflation im gemeinsamen Währungsgebiet der Euro-Staaten mit derzeit rund 340 Millionen Einwohnern in Schach halten. Die Notenbank sieht Preisstabilität bei einer jährlichen Teuerungsrate von knapp unter zwei Prozent erreicht. Weitere Ziele der EZB sind, die Stabilität des Finanzsystems zu sichern und die allgemeine Wirtschaftspolitik zu unterstützen.
Wer entscheidet bei der EZB?
Wichtigstes Entscheidungsgremium ist der EZB-Rat, der die Leitzinsen festlegt. Neben dem EZB-Präsidenten und fünf weiteren Direktoriumsmitgliedern sitzen auch 15 Präsidenten der nationalen Zentralbanken im EZB-Rat. Da es mittlerweile 19 Eurozonen-Mitglieder gibt, kommt ein Rotationsprinzip zur Anwendung. Unabhängig von der Größe hat jedes Land eine Stimme.
Welche Rolle hat der EZB-Chef?
Der acht Jahre amtierende Präsident vertritt die EZB in Politik und Öffentlichkeit. So erläutert er vor der Presse an jedem ersten Donnerstag im Monat die Zinsentscheidung der Notenbank. Einmal im Quartal stellt er sich zudem den Fragen des Europäischen Parlaments. Bei Stimmengleichheit im Rat entscheidet der Präsident.
Wie arbeitet die Notenbank?
Die Notenbank steuert die Geldmenge. Sie versorgt die Banken mit Geld und leiht ihnen die Summen zu einem bestimmten Zinssatz aus. Indirekt lenkt die EZB so die Preise für Kredite und die Verzinsung von Sparguthaben, weil die Banken sich am Leitzins orientieren. Höhere Leitzinsen sollen die Nachfrage und damit auch die Inflation drosseln, niedrige Leitzinsen die Nachfrage stimulieren. Eine Zinsänderung wirkt sich erst mit einer Verzögerung von etwa einem Jahr aus. Um die niedrige Inflation zu bekämpfen, liegt der Leitzinssatz in der Eurozone seit März 2016 bei null Prozent.
Was ist Quantitative Easing?
Da die Inflation trotz extrem niedriger Zinsen nicht angestiegen ist, erwirbt die EZB seit 2015 in großem Stil Staatsanleihen und andere Wertpapiere. Damit wollen die Währungshüter Geldhäuser dazu bewegen, weniger in solche Titel zu investieren und stattdessen an Firmen und Haushalte mehr Kredite auszureichen. Das soll die Konjunktur ankurbeln und in weiterer Folge auch zu steigenden Preisen führen. Das vor allem in Deutschland umstrittene Programm soll noch mindestens bis September fortgesetzt werden. Bereits jetzt schon liegt das Volumen der Anleihenkäufe bei mehr als 2,4 Billionen Euro.
Darf die EZB Staaten finanzieren?
Staatsfinanzierung mit Hilfe der Notenpresse erlauben die EU-Verträge nicht. Ausdrücklich verboten wird unter anderem "der unmittelbare Erwerb von Schuldtiteln" - also Anleihen etwa von Staaten. Die EZB kauft ihre Anleihen daher am Sekundärmarkt.