Immer komplexere Forschungsfragen sind nur in Zusammenarbeit zu lösen.
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Wien. Lena Ratschl versieht Bilder mit Worten. Sie ordnet eingescannten Dias von archäologischen Funden auf ihrem Computerbildschirm Schlagwörter zu. "Schwierig wird es bei älteren Dias, die keine Aufkleber mit Ortsbezeichnung und Datum mehr haben. Dann beginnt eine Spurensuche mit Überraschungen", erklärt die Archäologin. Besonders unvermutet sei eine Box von Farbdias aus den 30er Jahren gewesen, die nicht einmal nachkoloriert waren.
Einen Bestand von 120.000 Dokumentarbildern muss das Österreichische Archäologische Institut (ÖAI) in Wien digital ordnen, damit sein geplantes digitales Archiv komplett ist. Am Freitag hat es einen Kooperationsvertrag mit seinem deutschen Pendant, dem Deutschen Archäologischen Institut (DAI) in Berlin, unterzeichnet. Beide Archivschätze sollen zusammengelegt und im Internet frei zugänglich gemacht werden. Im Rahmen des Projekts "Europeana" zum Erhalt von wissenschaftlichem Erbe wollen die Institute EU-Fördergelder lukrieren.
Längst hat sich das Selbstverständnis der Archäologie gewandelt. Die wissenschaftlichen Ansprüche steigen. Technisch aufwendige Methoden eröffnen neue Möglichkeiten, belasten aber auch die Budgets. Die Leiterin des ÖAI, Sabine Ladstätter, verspricht sich von der künftig vertieften Zusammenarbeit mit dem DAI eine gemeinsame Nutzung von Forschungsinfrastruktur, sowie eine verbesserte Nachwuchsförderung. Der Zusammenschluss solle jedoch keineswegs zu einer "deutschsprachigen Forschungsinsel" führen, sondern Institute in den "europäischen Forschungsraum" einbinden, betonte Ladstätter am Freitag vor Journalisten.
Da archäologische Fragen immer komplexer werden, sind Zeiten, in denen einzelne Archäologen dafür lebten, sich ein Denkmal zu setzen, vorbei. Internationale Zusammenarbeit ist gefragt: "Wir wollen verstehen, wie die Menschen lebten und wie sich die Landschaften veränderten. Auch wird die Archäologie immer wichtiger für die Klimaforschung, weil wir Bäume untersuchen können, die nicht mehr stehen", sagte DAI-Präsidentin Friederike Fless: "Eine Grabung heute ist ein High-Tech-Unternehmen." Da reicht die eigene Kompetenz nicht mehr aus: Wer Rückschlüsse über Migration ziehen will, schickt Knochenfunde an die University of Bristol zur Isotop-Untersuchung. Ägypten wiederum lasse gewisse Funde in Mainz restaurieren.
Beschädigte Kulturgüter
Schon lange dreht es sich nicht mehr darum, Ausgrabungen aus aller Welt in Staatsmuseen zu präsentieren. Das DAI, das zum Außenamt gehört, ist stark in Ländern aktiv, in denen Kulturgüter durch Kriege beschädigt wurden, wie Afghanistan oder Irak. "Wir können die Menschen vor Ort unterstützen, ihr Kulturgut zu erhalten. Und Grabungen bringen Tourismus in eine Region", sagt Fless. Beides sei auch ein Thema im nordarabischen Raum. Nach der arabischen Revolution vergangenes Frühjahr sei die Bevölkerung "aus Neugier" vereinzelt in Depots eingebrochen, jedoch ohne zu rauben. Andernorts wiederum hätten sie ihre archäologischen Schätze in Gruppen bewacht. Und wie steht es um Restitutionsforderungen? Immerhin währt der Streit zwischen der Altertümerverwaltung in Kairo und dem Neuen Museum Berlin um die Rückgabe des Kopfes der Nofretete seit Jahrzehnten. In Fachkreisen hieße er nur noch "das N-Thema", will Fless verstanden wissen: "Es gibt keine Rückgabeforderung des Ägyptischen Staats." Einzig die Türkei knüpfe die Rückgabe von Fundstücken an Grabungslizenzen. "Eine solche Verknüpfung ist allerdings deswegen fatal, weil sie zurückdrängt, dass man damals in Museen einen Gesamteindruck von fernen Zeiten vermitteln wollte und dass alle Beteiligten damit einverstanden waren. Dazu gibt es Verträge und internationale Konventionen, ab welchem Datum die Provenienz nicht mehr Grund für eine Rückgabeforderung sein kann", so Fless: "Die Vorstellung, alles sei illegal hier, ist falsch."