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Die hilflose Krisenfeuerwehr

Von WZ-Korrespondent Frank Nordhausen

Politik

Der Aktionsplan gegen den Währungs-Verfall ist wirkungslos verpufft. Auch Bankaktien stürzten ab.


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Ankara. Scheinbar unaufhaltsam rutscht die Türkei nicht nur in eine Währungs-, sondern auch in eine Wirtschaftskrise, mit unabsehbaren Folgen für die Weltwirtschaft. Auch am Montag griff Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan zu Durchhalteparolen und warf dem Nato-Partner USA vor, der Türkei in den Rücken zu fallen. Die türkische Wirtschaft sei stark, sagte er in Ankara. Niemand solle spekulativen Meldungen über eine Krise glauben. Schon am Wochenende hatte er von einem Wirtschaftskrieg gegen sein Land gesprochen.

Doch auch am Montag fand die Regierung in Ankara kein Mittel, um den dramatischen Wertverfall der Landeswährung Lira zu stoppen, die seit Jahresbeginn rund 40 Prozent an Wert zum Dollar verloren hat. In der Nacht waren die drastischen Strafzölle auf türkische Metallimporte in die USA in Kraft getreten, die US-Präsident Donald Trump am Freitag angekündigt hatte. Stahl aus der Türkei wird nun mit Abgaben in Höhe von 50 Prozent statt bisher 25 Prozent belegt, Strafzölle auf Aluminium sollen folgen. Die USA sind der Hauptabnehmer türkischen Stahls. Inzwischen ziehen ausländische Investoren auch massiv Kapital aus dem Land ab.

Am Montagmorgen hatte sich der Währungskurs etwas stabilisiert, nachdem die türkische Zentralbank angekündigt hatte, den Banken des Landes jedwede nötige Liquidität zur Verfügung zu stellen. Eine wichtige Maßnahme, denn die türkischen Banken haben mehr als 220 Milliarden Dollarkredite einheimischer Unternehmen in ihren Büchern stehen, von denen mehr als 50 Milliarden in den nächsten zwölf Monaten fällig werden. Die extrem importabhängige Wirtschaft ist zudem auf ständigen Zufluss von Devisen angewiesen.

Der Bankrott ist verboten

Die Notmaßnahmen wurden international gleichwohl als Signal gelesen, wie sehr die türkischen Banken bereits unter Druck stehen. Am Montag sackten ihre Aktienkurse massiv ab. Brechen die Institute zusammen, dürften die Turbulenzen auf europäische Banken übergreifen. Als Finanzminister und Erdogan-Schwiegersohn Berat Albayrak seine Ankündigung, am Montagmorgen mit einem Aktionsplan für die Wirtschaft die Märkte zu beruhigen und den Kursverfall stoppen zu wollen, bis zum späten Nachmittag nicht wahr machte, geriet die Währung ab Mittag wieder ins Rutschen und überschritt erneut die Sieben-Lira-Marke zum Dollar.

Global wächst die Sorge, dass die türkische Währungs- in eine Wirtschaftskrise übergehen könnte, die die gesamte Weltwirtschaft in Mitleidenschaft zieht. Der Konflikt zwischen der Türkei und den USA hatte bereits vor dem Wochenende Börsenkurse weltweit einbrechen lassen. Aktien der europäischen Tourismusbranche wie TUI, Thomas Cook oder Easyjet gaben deutlich nach.

Staatschef Erdogan verstärkte die Befürchtungen in mehreren Reden vor Anhängern seiner islamistischen Regierungspartei AKP seit dem Wochenende. Darin warf er dem Nato-Partner USA "Respektlosigkeit" vor und beschuldigte ihn, den Putschversuch von 2016 gegen seine Regierung jetzt mit ökonomischen Mitteln zu wiederholen. Er drohte zudem damit, dass die Türkei sich neue Freunde und Allianzen, etwa mit Russland und China, suchen werde. Am Montag sagte er vor Botschaftern in Ankara, die Türkei sei "bereit zum Krieg". Obwohl er erklärte, es gebe gar keine Wirtschaftskrise, forderte er einheimische Unternehmer in drohendem Ton auf, keine Lira in Dollar oder Euro zu tauschen, keine Waren im Lager zurückzuhalten und keinesfalls Bankrott anzumelden. Es sei nicht nur die Pflicht der Regierung, die Nation am Leben zu erhalten - "es ist auch die Pflicht der Industriellen und der Händler". Erneut rief er seine Landsleute dazu auf, ihre Dollar- und Euroersparnisse in Lira umzutauschen.

Jagd auf negative Kommentare

Der Lira-Absturz hatte am Sonntag bereits dazu geführt, dass Wechselstuben in Istanbul ihr Geschäft einstellten und sich lange Schlangen vor einigen Geschäften bildeten. Die großen türkischen TV-Sender, die sämtlich von der Regierung kontrolliert werden, stoppten ihre Wechselkursanzeigen. Das türkische Innenministerium teilte am Montag zudem mit, die Justiz werde ab sofort gegen negative Kommentare zur Wirtschaft in Nachrichten und sozialen Netzwerken vorgehen.

Hauptgrund der Krise ist neben der überhitzten Wirtschaft und fehlenden Unabhängigkeit der Zentralbank die Weigerung der Türkei, den wegen angeblicher Terrorvergehen inhaftierten US-Pastor Andrew Brunson und 15 weitere US-Bürger und türkische Mitarbeiter der US-Botschaft freizulassen. Mit seinen Strafzöllen hat US-Präsident Trump nun den Druck auf Ankara massiv erhöht. Die eskalierende Lage erinnert viele Türken inzwischen an die schwere Währungskrise von 2001. Damals unterwarf sich das Land den wirtschaftspolitischen Reformforderungen des Internationalen Währungsfonds (IWF), der die Ökonomie mit Milliardenkrediten stützte. Erdogan lehnte es am Wochenende aber klar ab, sich erneut an den IWF zu wenden. Denn das bedeute, "die politische Unabhängigkeit" aufzugeben.