Vor 25 Jahren war die US-Botschaft in Beirut Ziel eines schweren Autobombenanschlags. Aus diesem Anlass folgt nun eine persönliche Erinnerung an diese Ereignisse. Diese Aufzeichnungen wurden in ähnlicher Form bei einer Wohltätigkeitsveranstaltung für die PEN/Faulkner Foundation in Washington vorgetragen.
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Wir schreiben den 18. April 1983, und ich besuche als Reporter des "Wall Street Journals" die US-Botschaft in Beirut. Es ist ein recht kühler Morgen, ein typischer Tag, um ein letztes Mal die Wintergarderobe auszuführen. Als ich zur Botschaft meines Landes komme, bahnt sich gerade die Sonne einen Weg durch den Nebel. Beim Eingang, der ziemlich eindrucksvoll und alles andere als unbewacht wirkt, schaue ich über die schimmernde Bucht von Beirut zu den Hängen des Mount Lebanon, auf dessen Gipfel noch immer etwas Schnee zu sehen ist. Ich spüre die feuchte, süßliche Luft des Libanon auf meinem Gesicht.
Nun wird es wieder besser, denke ich in diesem Moment, und dass Beirut nun acht Jahre Bürgerkrieg hinter sich hat, dazu die israelische Militärinvasion und das Massaker von Sabra und Chatilla - nun aber sind die USA Schutzmacht des Libanon und US-Marines tummeln sich auf dem Flughafen in einer "Mission der Präsenz", wie die US-Botschaft das nennt.
In der Botschaft, im fünften Stock, bin ich mit einem leitenden Offizier vom Büro für militärische Zusammenarbeit verabredet. Er hat eine erfreuliche Nachricht für mich: Die USA bauen die libanesische Armee um zu einer Streitkraft der nationalen Aussöhnung, die Sunniten, Schiiten und Christen zusammenbringen will. In der libanesischen Armee trägt man nun richtige Stiefel, sagt er, nicht mehr diese Gucci-Slipper wie früher.
Während er spricht, mache ich fleißig Notizen: Was er sagt, ist kaum zu glauben. Es schaut ganz danach aus, als ob die USA wirklich wissen, wie im Libanon vorzugehen ist. Und die Marines scheinen in den schiitischen Slums beim Flughafen tatsächlich so beliebt zu sein, wie ihre Vorgesetzten mir gegenüber behaupten, während ich mit ihnen auf Patrouille gehe - wenn da auch immer argwöhnische, wachsame Augen aus dem Hintergrund auf uns gerichtet sind.
Unser Gespräch endet um 12.30 Uhr. Rebecca McCullough, die Assistentin des Büros für militärische Zusammenarbeit, bringt mich zurück ins Foyer. Sie trägt, typisch ambivalent für diesen Apriltag, eine Sommerbluse und einen Winterrock. Der Soldat, der "Post No. 1" hinter einer dicken Plexiglasscheibe besetzt - glänzende Messingknöpfe und gefährlich wirkender Körperbau - gibt mir meinen Reisepass zurück, und ich mache mich auf den Weg in mein Hotel. Ich überlege, ob das, was man mir in der Botschaft erzählt hat, etwas für einen Artikel hergibt.
In der Nacht, drei Minuten nach 1 Uhr, höre ich eine enorme Explosion. Die Fenster im Hotelzimmer, mehr als einen Kilometer von der US-Botschaft entfernt, scheppern. Ich fühle mich plötzlich schwindlig - wie Angst, aber schlimmer. Ich laufe zum Ort der Explosion.
Als ich die Botschaft erreiche, versuchen Marines gerade eine Umzäunung aufzustellen. Ein Teil des Gebäudes ist eingestürzt, Räume sind auseinandergebrochen, in einem Stockwerk ist ein menschlicher Körper zu sehen - ein schrecklicher Anblick. 63 Todesopfer, davon 17 Amerikaner. Aus damaliger Sicht war es der schwerste Anschlag auf eine diplomatische Einrichtung der USA. Erst nach Jahren konnte festgestellt werden, dass die iranischen Revolutionsgarden dafür verantwortlich waren. An diesem Tag verstand das noch niemand: Eine neue Art von Krieg hatte begonnen.
Übersetzung: Redaktion