EU-Projekt gegen urbane Hitzeinseln: Wien könnte ein bis zwei Grad einsparen.
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Wien. "In der Innenstadt messen wir bereits 29 Grad, in den Außenbezirken liegen die Temperaturen noch bei 25 Grad", tönt es dieser Tage oft aus dem Radio. Bei vier Grad Unterschied könnte man schon durchaus von Klimazonen innerhalb der Stadt sprechen. "Der Grund dafür ist, dass sich im dicht verbauten Gebiet die Gebäude viel stärker aufheizen als am Stadtrand", erklärt der Sachbearbeiter für räumliche Entwicklung in der MA22 (Umweltschutz), Jürgen Preiss.
Aber dem kann man laut Experten entgegenwirken: "Etwa mit Dach- und Fassadenbegrünungen, Baumpflanzungen und dem Einbau von Wasserelementen kann man im innerstädtischen Bereich die Temperatur im Sommer um ein bis zwei Grad reduzieren", sagt der Experte.
Es gibt sogar ein eigenes EU-Projekt mit dem Namen "Urban Heat Islands" (UHI), an dem sich im Rahmen des EU-Programmes "Central Europe" acht europäische Großstädte beteiligen - Bologna, Venedig, Ljubljana, Budapest, Stuttgart, Prag, Warschau und Wien (siehe Grafik).
Besonders die Dach- und Fassadenbegrünungen würden am meisten Kühleffekte bewirken - und sie seien absolut pflegeleicht, wie auch die MA22-Chefin Karin Büchl-Krammerstätter bestätigt. "Bei extensiver Begrünung muss man gar nichts mehr machen", erklärt sie im Gespräch mit der "Wiener Zeitung". Extensiv bedeutet in diesem Fall eine Erd- oder Substratschicht von mindestens 20 Zentimetern. "Da müssen Sie nur einmal pro Jahr schauen, ob irgendwo Starkwurzler wie etwa eine Weide oder ein Götterbaum aufgeht", so Büchl-Krammerstätter. Gepflanzt werden heimische Sukkulenten wie etwa Sedum-Arten oder Fetthennen, die widerstandsfähig sind und daher nicht bewässert werden müssen.
Unter intensiver Begrünung versteht man wiederum Begrünung mit Erdschichten, die dicker als 20 Zentimeter sind und somit auch für Gartenbau genutzt werden können. Genormte Dachabdichtungen und Wurzelschutzbahnen schützen hier vor Schäden im Dachbereich.
Speicherplatten halten Niederschlag zurück
Die Vorteile einer solchen Bepflanzung: Die Grünschicht wirkt zum einen wärmedämmend für das Hausinnere und zum anderen wird ein klimatischer Effekt durch Verdunstung im Außenbereich erzielt: Mit entsprechenden zusätzlichen Speicherplatten können Niederschläge zu fast 100 Prozent zurückgehalten werden. Das Wasser muss also nicht zur Versickerung gebracht werden, sondern verdunstet und kühlt seine Umgebung, erklärt Preiss. Und angesichts der Tatsache, dass Wiens Dächer eine Fläche von 5000 Hektar ausmachen, stecke hier noch enormes Potenzial. "Plus Fassaden wären es überhaupt 12.000 Hektar - eigentlich beachtlich, wenn man bedenkt, dass ganz Wien 41.000 Hektar groß ist", so Preiss weiter.
Demnach haben auch große Parkanlagen und Alleen entsprechendes "Kühlpotenzial". "In der Seestadt Aspern wird es zum Beispiel keinen einzigen Straßenzug ohne Bäume geben. So wird es in Stadterweiterungsgebieten immer um ein bis zwei Grad kühler sein als im historischen Stadtbereich", meint der Experte.
Hohe Gebäude reduzieren die Sonneneinstrahlung
Untersucht werden im Zuge des UHI auch die städtebauliche Proportionen - also etwa das Verhältnis der Gebäudehöhe zu den Abständen der Gebäude und deren Ausrichtung auf die Himmelsrichtungen. "Ein geschlossener Innenhof ist im Sommer deswegen angenehm kühl, weil durch die Gebäudehöhe die Sonneneinstrahlung reduziert wird und die kühle Luft drinnen bleibt", sagt Sachbearbeiter Preiss.
Weiters wird viel mit Wasser experimentiert - Springbrunnen, Sprühanlagen und offene Wasserflächen wirken sich laut Experten ebenfalls sehr positiv auf das Mikroklima aus. Auch das Anlegen von offenen Fließgewässern soll künftig durch entsprechendes "Regenwassermanagement" vor allem in neuen Stadtteilen verstärkt forciert werden.
Auf diese Weise will man künftig in wichtigen Aufenthaltsbereichen kleinräumig um fünf bis sieben Grad herunterkommen. Sogar in der dicht verbauten Innenstadt seien "durchaus noch einige Grad Celsius" zu gewinnen, ist Preiss überzeugt.