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Die hohe Kunst des Polierens

Von Christina Mondolfo

Wirtschaft

In der Werkstatt surrt eine Maschine, ein Mann mit einer Spezialbrille sitzt konzentriert davor und lässt vorsichtig und aufmerksam den Polieraufsatz über eine Kunststoff-Spritzgussform gleiten. "Die Oberfläche muss ganz glatt und hochglänzend sein, damit das Endprodukt weder Löcher noch ,Nasen' hat", erklärt Stefan Jutz. Namhafte Firmen aus der Sanitär- oder Haushaltsartikelbranche lassen ihre Formen bei ihm polieren, um dem Endkunden höchste Qualität bieten zu können.


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Jutz ist Eigentümer eines Unternehmens, das sich auf die Feinstbearbeitung von Kunststoffspritzgussformen spezialisiert hat. Polieren war zwar in seiner HTL-Ausbildung dabei, aber das zu seinem Beruf zu machen sei ihm vorerst nicht in den Sinn gekommen, erzählt der Maschinenbauingenieur. Begonnen hat dann alles zwischen "Philosophiestudium und Geld ausgeben", 1991 schließlich haben seine Frau Marianne und er doch eine Firma gegründet. Im Jahr darauf stellte er bereits die ersten Mitarbeiter ein und übernahm die Vertretung von Novapax in Österreich. Dieses Unternehmen hatte ein gewisser Johann Steiner vor 25 Jahren in Berlin gegründet. Er entwickelte auch für den Bereich des Hochglanzpolierens eine eigene Methode - und machte sich damit einen Namen.

Doch in Wien war es noch lange nicht so weit: "Wir hatten ein Lager mit Schlafgelegenheit und ein Büro mit Kochgelegenheit - mit einem Wort, das Ganze hat in unserer Wohnung stattgefunden", schmunzelt Jutz. Und während er durch ganz Österreich fuhr und seine Produkte anbot, erledigte seine Frau sämtliche administrativen und kaufmännischen Angelegenheiten.

Heute verkauft Jutz nicht nur mehr Produkte in Vertretung, sondern neben seinen eigenen auch das entsprechende Know-how. Sein Patent für Schleiffeilen, das ein genaues Arbeiten bis in die kleinste Ecke ermöglicht, hat weltweit großen Anklang gefunden und ihn in Österreich zum Marktführer gemacht. Jutz arbeitet aber bereits an einem neuen Produkt, das noch heuer patentiert werden soll. Mit zwölf Mitarbeitern setzt er rund 30 Mill. Schilling um, das Unternehmen hat einen Exportanteil von 25%.

Doch neben dem Polieren, einer auch heute noch hauptsächlich manuellen Tätigkeit, hat er sich ein zweites Standbein geschaffen. Seine Schulungen sind ausgebucht, sämtliche Kunststoffverarbeiter und Formenbauer in Österreich haben sich schon von ihm in die "hohe Schule des Polierens" einweisen lassen. Mittlerweile gehören auch Berufsschulen zu seiner Klientel, und Kunden aus Japan, den USA und England kommen ebenfalls gerne zu seinen Seminaren nach Wien. Zwanzig Kurse pro Jahr veranstaltet er derzeit, Tendenz steigend. Pro Kurs, der drei Tage dauert, gibt es nur drei Teilnehmer von einem einzigen Unternehmen, um spezifische Probleme besser lösen zu können. Dass dem zweifachen Familienvater daneben kaum Zeit für seine Hobbies Lesen und Wasserskifahren bleibt, erklärt sich von selbst.

Die Hochglanzpolierfamilie

Am Weltmarkt gebe es zwar weitere Anbieter für Hochglanzpolieren, die wären aber zum größeren Teil Produkt-Händler ohne den entsprechenden Background, sprich ohne Know-how der Anwendung. Da er aber nur Seminare ins Ausland verkaufe, käme er niemandem in die Quere: "Schließlich ist die ganze Branche weltweit wie eine große Familie, in der jeder jeden zumindest ein bisschen kennt, da will man mit niemandem in den Clinch kommen", erklärt Jutz die Lage.

Er selbst hätte noch Bedarf an Leuten mit entsprechender Ausbildung (Werkzeugmacher oder Formenbauer) und Fingerspitzengefühl: "Polieren erfordert eine hohe Disziplin, systematisches Arbeiten, Ausdauer und Geduld. Doch jemanden zu finden, der all diese Ansprüche erfüllt, ist sehr schwer."