Warum Österreichs Verwaltung kontinuierlich an Qualität einbüßt und es höchste Zeit ist, um das Risiko eines Engagements einzugehen und diese Entwicklung zu stoppen.
Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 2 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.
Gelegentlich lässt sich aus einem knappen Interview ein komplexes Problem erschließen. Im "Standard" wurde die PR-Beraterin Heidi Glück zur ob ihrer Praxisnähe viel gelobten dänischen Politik-Serie "Borgen" interviewt. Die Frage, wie sie ein Drehbuch für eine Serie über Österreichs Politik schreiben würde, beantwortet sie mit: "Ich würde einfach Borgen abschreiben und andere Namen einsetzen."
Dies ist bemerkenswert, als ein zentraler Handlungsstrang der Serie das Verhältnis der Außenministerin zu ihren engsten ministeriellen Mitarbeitern ist. Über dem Interview findet sich ein Foto, das die Ministerin mit ihren vier wichtigsten Mitarbeitern zeigt: dem höchsten Beamten, dem für die arktischen Gebiete zuständigen Spitzenbeamten sowie ihre beiden persönlichen Referenten. In der Serie arbeiten diese kompetent und von einem ausgeprägten Berufsethos beseelt. Sie sind gegenüber ihrer Chefin loyal, grenzen sich aber klar von parteipolitischen Aktionen ab. In einem Loyalitätskonflikt weist der Spitzenbeamte einen Referenten darauf hin, dass Beamte primär dem Staatsganzen verpflichtet sind. Dieses Bild entspricht der skandinavischen Praxis, es steht aber in deutlichem Kontrast zur Verfasstheit des Öffentlichen in Österreich.
Im Interview mit Glück, der ehemaligen Pressesprecherin von Bundeskanzler Wolfgang Schüssel, wird darauf nicht eingegangen. Das repräsentiert ein durchgängiges Muster des öffentlichen Diskurses über die Bundesministerien. Die Situation unserer Beamtenschaft im Allgemeinen und der Spitzenbeamten im Besonderen wird fallweise im Ansatz gestreift. Zumeist unterbleibt eine vertiefte Erörterung auch dann, wenn sie sich aufdrängt. So wurde nicht thematisiert, was es wohl für Beamte und deren Leistungen in einem Ministerium bedeutet, wenn sie einen obersten Chef mit der Persönlichkeit, der Arbeitshaltung und den Umgangsformen eines Thomas Schmid vorgesetzt haben.
Manchmal wird über die übergroßen Ministerkabinette und deren Praktiken sowie über die Amtsführung einzelner Generalsekretäre berichtet. Eine lösungsorientierte Debatte mit Alternativen unterbleibt aber in aller Regel. Es ist so wie bei anderen Problemen des öffentlichen Sektors: Man beklagt sie aus gegebenen Anlässen, führt jedoch keinen Diskurs über andere Modelle.
Eine Technik der Machtausübung ist es, sich als zwar nicht perfekt, aber als einzige Möglichkeit, da alternativlos, darzustellen. Die Praktiken des österreichischen Diskurses über Politik und Verwaltung sind einengend und damit herrschaftsstabilisierend. Unter Banalität versteht man die Alltäglichkeit, die Selbstverständlichkeit; das leere, inhaltslose Gerede, die oberflächliche Aussage. Insofern kann man von einer Banalisierung des Regierens sprechen.
Historisch gesehen sind unsere Zustände relativ jung. Noch vor etwa 40 Jahren hatten Minister zwei oder drei Sekretäre und führten ihr Ressort in unmittelbarem Kontakt mit den Sektionschefs. Die gute alte Zeit hatte ihre Schattenseiten. Bereits damals gab es die Parteibuchwirtschaft, von der Helmut Zilk sagte, dass sie ihn ankotze. Auch waren die Trennlinien zwischen Staat und Partei unscharf gezogen. Das nunmehr üppig wuchernde öffentliche Biotop wurde bereits zu dieser Zeit angelegt. Allerdings hatte die Spitzenbeamtenschaft damals eine gemeinsame Identität als Diener des Staates und zeigte gegenüber der Politik großes Selbstbewusstsein. Wesentliche Reformen wurden aufgrund von politischen Aufträgen von der Beamtenschaft mit großer Eigenständigkeit entwickelt.
In der Folge wurden aus den wenigen Sekretären immer größere Ministerkabinette. 1994 wurde die Befristung der Spitzenfunktionen in der Verwaltung eingeführt. Sektionsleiter und andere Spitzenbeamte, die nach fünf Jahren wiederbestellt werden wollen, bedürfen einer Entscheidung des Ministers. Die damalige Argumentation war, dass in der Wirtschaft Vorstandsdirektoren auch befristete Verträge erhalten und das einer modernen Verwaltung entspräche.
"Speak truth to power" wich einer Geneigtheit
Man kann dies als Beleg dafür ansehen, dass die unreflektierte Übertragung privatwirtschaftlicher Konzepte auf die Verwaltung gewichtige unerwünschte Nebenwirkungen haben kann. Die selbstbewusste Haltung, Minister mit unangenehmen Informationen und Positionen zu konfrontieren, wich zusehends einer Geneigtheit, auf Winke und Fingerzeige der Politik auch dann eilfertig zu reagieren, wenn sie sachlich oder rechtlich unangebracht oder falsch sind. Das Verständnis, demzufolge wohlverstandene Loyalität eine kritische Loyalität ist, schwand dahin. Diese Beschreibung längerfristiger Trends ist insofern eine Vereinfachung, als es nach wie vor Spitzenbeamte gibt, die ein klassisches Amtsverständnis haben. Sie werden aber immer weniger.
Eine Masterarbeit aus 2018 ergab, dass 70 Prozent der Sektionsleiter aus Ministerkabinetten oder politiknahen Organisationen kommen. Die jüngeren Sektionsleiter haben fast ausnahmslos eine Kabinettskarriere. Die 30 Prozent, die nicht aus einem politiknahen Bereich kamen, sind vor allem jene, die 60 Jahre und älter sind. Die jüngeren Sektionsleiter stellen eine sehr heterogene Gruppe dar. Es finden sich darunter solche, die nach einer kurzen politischen Sozialisation aus dem Ministerkabinett ins Sektionschefbüro katapultiert wurden. Es gibt aber auch solche mit großer fachlicher Perspektive und internationaler Erfahrung.
Es gilt aber: Je größer die Zahl der Kabinettsmitarbeiter ist, desto größer ist auch die Zahl derer, die bei Machtwechseln zu versorgen sind. Mittlerweile arbeiten in Ministerkabinetten rund 340 Personen. Dies beschneidet die Karrierechancen von (anderen) öffentlich Bediensteten.
Ich habe 2012 eine Studie verfasst, für die ich Regierungsmitglieder, Kabinettsmitarbeiter und Spitzenbeamte befragte. Niemand der Interviewten benannte Illoyalität der Beamtenschaft als Problem. Es wurde aber deutlich, dass sich die Kabinette in einem Graubereich bewegen. Sie haben eine Geschäftseinteilung, die sich an der Organisationsstruktur des jeweiligen Ministeriums orientiert, man nennt das "spiegeln".
Schlampige Verhältnisse an den Nahtstellen
Dies bewirkt eine Engführung der Ressorts durch Personen, die formell keine Weisungsbefugnis haben. Die offizielle Sprachregelung ist, dass Kabinettsmitarbeiter im Auftrag des Ministers tätig werden. Alle Beteiligten wissen aber, dass die Minister gar nicht in der Lage sind, die Details des Wirkens der großen Kabinette zu überblicken, die bis in die Niederungen der Verwaltung eingreifen. Wenn ein Beamter einem Kabinettsmitarbeiter sagt: "Das will ich aber schriftlich von der Frau Ministerin!", würde dies als ein höchst unfreundlicher Akt angesehen werden. Dementsprechend kommt so etwas selten vor.
Der Zustand ist kurios. Wir sind ein Rechtsstaat, der eine ausgebaute, feinziselierte Rechtsordnung hat, an die die Vollziehung vom Minister bis hin nach ganz "unten" durch die Bundesverfassung gebunden ist. An der Nahtstelle zwischen Politik und Verwaltung herrschen mit den Kabinetten aber schlampige Verhältnisse. Dies ist einerseits, wie uns nicht erst die vergangenen Jahre lehrten, ein Einfallstor für Korruption. Andererseits hemmt es die Leistungsfähigkeit und Problemlösungskompetenz des Öffentlichen Sektors. Es kommt zu Reibungs- und Energieverlusten. Man kann unsere Ministerialbürokratie mit dem Wirkungsgrad von Dampfmaschinen in deren Frühphase vor gut 200 Jahren vergleichen.
Ich habe vor zehn Jahren die damals vorgefundene Situation als "Gleichgewicht des Schreckens" bezeichnet. Die Spitzenbeamten waren sich der Gefährlichkeit bewusst, sich in gravierende Konflikte mit den Kabinetten zu begeben. Die Kabinette waren sich im Klaren, dass sie das Fachwissen und die Kooperationsbereitschaft der Beamten benötigen.
Bereits damals gab es die Option, Generalsekretäre einzusetzen. Mit Ausnahme des Außenministeriums war deren Position jedoch ebenfalls nur unscharf geregelt. In einigen Ländern, so in Deutschland, aber auch in Dänemark (siehe "Borgen"), gibt es beamtete Generalsekretäre, die der Beamtenhierarchie vorstehen und mit dem Minister kommen und gehen. Sie haben somit eine rechtlich saubere Scharnierfunktion zwischen Minister und Beamtenschaft.
Was anderswo Rechtsstaatlichkeit und Verwaltungsqualität ermöglicht, muss in Österreich nicht gleich ein großer Fortschritt sein. Im Jänner 2018 (Regierung Kurz/Strache) wurde die Position von Generalsekretären formalisiert und ihre Weisungsbefugnis gegenüber der Beamtenschaft, auch den Sektionschefs, festgeschrieben. Es wäre eine saubere Lösung gewesen, gleichzeitig die Größe und Bedeutung der Kabinette deutlich zu reduzieren, da die Bundesminister nunmehr ihre Ressorts über die Generalsekretäre wirkungsvoll steuern könnten. Dies ist nicht der Fall gewesen. Vielmehr entstanden neue Apparate.
Der Rechnungshof stellte 2021 fest, dass die Generalsekretäre über Mitarbeiter im Ausmaß von 63 Vollbeschäftigtenverhältnisse verfügten und bemängelte die unklare Arbeitsteilung mit den Kabinetten. Offensichtlich ging es 2018 nicht um mehr Effektivität und Effizienz in den Ministerien, sondern um einen weiteren parteipolitischen Machtausbau.
Man kann diesen Schritt als in manchen Ressorts nicht erfolglosen Versuch verstehen, das "Gleichgewicht des Schreckens" in Richtung einer "Herrschaft durch Schrecken" aufzulösen. Die Chats auch von Thomas Schmid belegen dies. Inzwischen ist die Amtsführung von drei Generalsekretären Gegenstand strafrechtlicher Ermittlungen. Ein weiterer Generalsekretär soll wegen Kollisionen zwischen dienstlichen und privatwirtschaftlichen Interessen vor dem Rückzug stehen. Auch wenn die Mehrzahl der Generalsekretäre fachlich und charakterlich für ihre Aufgabe befähigt sind: Die Modalitäten der Auswahl von Generalsekretären sind offenbar verbesserungsbedürftig.
Die Aufstellung der Nahtstelle von Generalsekretären und Kabinetten ist nicht nur kostspielig (gut 70 Millionen Euro jährlich), sondern eine Ursache schlechter Ergebnisse. So konstatierte der Rechnungshof in seinem Bericht über das Pandemiemanagement eine Reihe gravierender Mängel und Fehlleistungen.
Die Übersterblichkeit ist einer der härtesten Indikatoren. Die erhöhte Sterblichkeitsrate betrug in Österreich in den beiden Pandemiejahren 2020 und 2021 neun Prozent und bewegte sich im europäischen Durchschnitt. Deutschland mit etwas geringeren Restriktionen hatte eine Übersterblichkeit von vier Prozent. In Skandinavien mit deutlich geringeren Einschränkungen betrug sie sechs Prozent in Schweden und zwei Prozent in Norwegen sowie Dänemark. Das Ergebnis ist auch beachtlich, weil sich Österreich rühmt, "Testweltmeister" zu sein.
Unfaire Behandlung lässt Motivation sinken
Immerhin wurden in den vergangenen beiden Jahren 2,6 Milliarden Euro für Tests aufgewendet. Hätte man einen Bruchteil dieser Summe in ein flexibleres und qualitätsvolleres Krisenmanagement investiert, wären die Ergebnisse womöglich besser gewesen. Organisatorische Unterbegabung führt zu Überschussrepression in Form von ansonsten nicht notwendigen Freiheitseinschränkungen, Abbau pädagogischer Leistungen und wirtschaftlichen Belastungen. Noch schlimmer als das Budgetdefizit ist das Defizit an Organisationsfähigkeit.
Angesichts der Rüdheit, man kann auch von Menschenverachtung reden, die mehrere Generalsekretäre und Spitzenbeamte an den Tag legten, wurde bisher eine Frage kaum gestellt: Was macht es mit einer Organisation und ihren Mitarbeitern, wenn sich das Topmanagement unsauberer Praktiken bedient? Es ist wissenschaftlich erwiesen, dass Menschen, die sich am Arbeitsplatz unfair behandelt fühlt, mit sinkender Motivation und geringeren Arbeitsleistungen reagieren. Das traditionelle Beamtenethos ist zumindest derzeit noch so weit intakt, dass Österreichs gut ausgebaute Verwaltung nach OECD-Studien durchschnittlich funktioniert.
Es ist jedoch fraglich, ob dies angesichts der Unbeirrbarkeit parteipolitischer Praktiken so bleiben muss. Um einen der Akteure der letzten Jahre zu Wort kommen zu lassen: Michael Kloibmüller, langjähriger Kabinettschef und Leiter der Präsidialsektion im Innenministerium, sagte in einem "Kurier"-Interview: Besetzungsverfahren seien "immer auch politisch bei der Polizei, weil die Personalvertretungen Mitwirkungsrechte haben. Wer anderes glaubt, lügt sich an". Das hat leider so seine Richtigkeit.
Zum Unterschied zu Staaten, in denen Gewerkschaften und Personalvertretungen sich in Distanz zu politischen Parteien bewegen (zum Beispiel Deutschland, Schweiz, Skandinavien), sind die Gewerkschaft Öffentlicher Dienst und der Großteil der Personalvertretungen entlang der politischen Parteien in Fraktionen gegliedert. In hoch entwickelten Staatswesen achten die Interessensvertreter der öffentlich Bediensteten auf eine funktionierende "Meritokratie", also eine Vergabe von Leitungsfunktionen anhand von erbrachten Leistungen und persönlichen Befähigungen. In Österreich sind erschreckend viele Interessensvertreter im öffentlichen Sektor Akteure und Hüter eines "Patronage-Systems", in dem Parteibuch und politische Beziehungen entscheidend für Postenvergaben sind. Auch hierfür finden sich in mehreren Chats Belege.
Nach dem Ausschreibungsgesetz sollte dies anders sein. Es wurde in der erklärten Absicht, objektive Verfahren zu gewährleisten, in 33 Jahren 27 Mal novelliert, ohne dass dies die Praxis erkennbar verändert hätte. Im Management gilt der Grundsatz: "Culture eats strategy for breakfast." Damit ist gemeint, dass tief liegende Überzeugungen und verfestigte Praktiken und Verhaltensmuster das Potenzial haben, Planungen und Reformen zum Scheitern zu bringen. In Österreich gilt "Culture eats norms for breakfast." Gesetzliche Bemühungen allein stoßen an ihre Grenzen, die österreichische Verwaltung konsequent fair, leistungs- und ergebnisorientiert auszurichten.
Vier Herausforderungen für erfolgreiche Verwaltung
Eine engagierte und nachhaltige Auseinandersetzung über Reformen zum Rückbau politischer Einflussnahmen ist überfällig. Sie sollte in einem weiteren Kontext gesehen werden. Es geht nicht bloß um Kabinette und Generalsekretäre, sondern um die Ausgestaltung des Regierens insgesamt. Allgemein müssen Organisationen vor allem vier Herausforderungen bewältigen, um erfolgreich sein zu können:
Es genügt nicht, genügend Ressourcen zu haben. Man muss die Potenziale, die in Personen und Technologien stecken, ausschöpfen und intelligent verknüpfen. Für den öffentlichen Sektor bedeutet dies, für Menschen mit Karriereambitionen ein attraktiver Arbeitgeber zu sein, bei der Nutzung von IT-Lösungen die Prozesse und die Arbeitsweise im Öffentlichen neu zu gestalten und Reibungsverluste durch dysfunktionale Machtspiele deutlich zu reduzieren.
Organisationen müssen einerseits die Komplexität, die auf sie durch Informationen, Interventionen und Veränderungen einströmen, auf das Wesentliche reduzieren. Andererseits dürfen sie keine unangemessenen Vereinfachungen vornehmen. Dem haben die Gestaltung von inneren Strukturen und Prozessen Rechnung zu tragen. Die Herausforderung lautet: Wie kann man in den Regierungsaktivitäten als Zusammenspiel zwischen Politik und Verwaltung unterschiedliche Eigenlogiken (kurzfristige Orientierung an tagespolitischen Erfolgen versus nachhaltige Gestaltung von Politikfeldern) berücksichtigen und eine produktive Verschränkung und Kooperation herbeiführen?
Die Lerngeschwindigkeit von Organisationen muss im Verhältnis zu der Veränderungsgeschwindigkeit in den Umwelten gleich oder größer sein. Dies gilt auch für krisenhafte Entwicklungen. Der zuletzt vorherrschende Operationsmodus der Verwaltung, auf politischen Zuruf hin hastig etwas auf wackelige Beine zu stellen, ist für Krisenzeiten ungeeignet. Hierzu bedarf es anderer Konzepte und Praktiken aus den Bereichen Organisationsentwicklung und Projektmanagement. Gefordert ist die Fähigkeit von Staatswesen, sich auf neue Herausforderungen rasch einzustellen, flexible Organisationsformen zu entwickeln und Probleme nicht bloß zu bewältigen, sondern aus ihnen durch einen Zuwachs an Kompetenz gestärkt hervorzugehen.
Die innere Verfasstheit und die Leistungserbringung sind konsequent am Kundennutzen auszurichten. Für das Öffentliche bedeutet es, transparente und am Gemeinwohl orientierte Antworten auf die vielfältigen und widersprüchlichen Interessen und Erwartungen der zahlreichen Anspruchsgruppen zu finden.
Politik ist im Hier und Jetzt verhaftet
Die aktuelle Bundesregierung ebenso wie ihre Vorgängerinnen sind allzu sehr im Hier und Jetzt sowie in einer vordergründigen und oberflächlichen Kalkulation von Kosten und Nutzen der politischen Steuerung (Beherrschung?) der Verwaltung verhaftet. Es gibt kein Anzeichen, dass das nach allen Umfragen drastisch gesunkene Vertrauen der Bevölkerung in die Regierung zum Nachdenken bewegt. Und sollte innerhalb der Opposition über bessere Formen des Regierens nachgedacht werden, geschieht dies auch unter sehr geglückter Geheimhaltung.
Vielleicht ändert sich da noch etwas. Vielleicht aber auch gibt es über die Organisation des Anti-Korruptionsvolksbegehrens hinausgehende Initiativen. Beispielsweise hat das Netzwerk Kriminalpolitik in seinem Politikfeld nicht nur "Zehn Gebote guter Kriminalpolitik" formuliert und Veranstaltungen organisiert. Es trat auch mit teilweisen und bescheidenen Erfolgen in Kommunikation mit politischen Entscheidungsträgern ein. Der Rechtswissenschafter und Governance-Experte Helmut Willke meint, dass der Staat sich seinerseits für Formen der Einflussnahme aus der Gesellschaft heraus offenhalten sollte. Wenn die Pforte schon nicht offensteht, sollte man an ihr klopfen, etwas hineinrufen oder auch einen Brief durchschieben. Um aus Beispiel und Bild herauszutreten: Es wäre wünschenswert, dass sich einige kundige Menschen zusammentun, deren Besorgnis und Empörung groß genug ist, um das Risiko eines Engagements einzugehen.